Dr. Klaus Heer

20minuten vom 13. November 2018
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«Ist das Handy ein Beziehungskiller?»

70 Prozent der 15- bis 30-Jährigen verraten in einer Beziehung den PIN-Code. Frauen durchsuchen laut der Umfrage eher Handys als Männer.

VON DANIEL WALDMEIER
Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Das scheint auch in der Liebe zu gelten. So geben in einer Umfrage des Forschungsinstituts Sotomo im Auftrag von Sunrise 28 Prozent der 15- bis 30-jährigen Frauen an, schon einmal das Handy einer anderen Person ausspioniert zu haben. 24 Prozent suchten dabei nach Beweisen für die Untreue ihres Partners. Andere wollten intime Texte oder freizügige Bilder finden.

Weniger misstrauisch geben sich die jungen Männer: Nur 13 Prozent geben zu, schon das Handy einer anderen Person durchsucht zu haben. 9 Prozent machten dies, weil sie ihre Partnerin überführen wollten. Das Handy der Partnerin oder des Partners auszuspionieren, ist für eine Mehrheit kinderleicht: 70 Prozent der 15- bis 30-Jährigen, die in einer Beziehung sind, kennen den PIN-Code ihres Partners.

Ein No-go oder legitim?

Auch viele 20-Minuten-Leser schreiben, sie würden den PIN-Code teilen oder hätten jeweils beide Fingerabdrücke registriert – als Treuebeweis. Trotzdem ist das Handy des Partners für viele tabu. Das Ausspionieren sei ein Vertrauensbruch, so der Tenor. «Ich kenne den Code, würde aber nie spionieren. Weshalb auch? In einer guten Beziehung sollte es keine Lügen geben», so ein Kommentar.

Einige Leserinnen geben aber unumwunden zu, schon geschnüffelt zu haben. Oft mit Erfolg. Luna schreibt etwa: «Plötzlich nahm er sein Handy immer mit und versteckte es jedes Mal vor mir. Ich bin misstrauisch geworden. Er bezeichnete mich deswegen als paranoid. Obwohl es mir gegen den Strich ging, schaute ich in sein Handy und wurde fündig. Er hat hinter meinem Rücken mit anderen Frauen geflirtet und sich mit seiner Ex-Freundin heimlich getroffen.» Ähnlich erging es auch anderen Leserinnen (siehe Bildstrecke).

«Die Angst, betrogen zu werden, schwebt über allem»

Paartherapeut Klaus Heer sagt, dass seiner Erfahrung nach 95 Prozent der Untreuen wegen des Handys auffliegen würden – auch weil viele Fremdgeher dilettantisch vorgingen: «Die Installation einer Dating-App, der Besuch eines Pornoportals oder die Whatsapp-Nachricht der Ex: Das reicht, um eine Beziehung akut und ernsthaft zu gefährden.» Besonders dann natürlich, wenn die Liebe eh schon chronisch zu kurz komme.

Heer sagt, normalerweise schnüffle niemand grundlos. «Es reicht ein Gefühl von vager Unsicherheit und Angst, dass man betrogen wird. Für die meisten Menschen ist die Treue wichtiger als die Liebe selbst.» Dass man den PIN-Code teile, sei fast schon zwingend: «Wer es nicht tut, setzt sich automatisch dem Verdacht aus, dass er etwas zu verstecken hat.»

Doch warum schnüffeln Frauen häufiger? Die Umfrage zeige, dass stereotype Rollenbilder auch im Jahr 2018 noch wirkten, so der Experte: «Männer gelten oft als dreister und kopfloser – während die Frauen mehr auf familiäre Stabilität aus seien.

Sogar Spionage-Apps im Einsatz

Wie die Leser-Geständnisse zeigen, schnüffeln aber auch Männer. So schreibt ein Leser: «Auf dem Handy habe ich die Bestätigung meiner Vermutung erhalten, dass meine Ex-Freundin ein Verhältnis mit ihrem verheirateten Gynäkologen hatte, von ihm schwanger war und das Kind mir unterjubeln wollte, da es plötzlich relativ eilig wurde, mich zu heiraten.»

Nicht alle machen beim heimlichen Durchsuchen des Handys halt: Mehrere Leser schreiben, sie hätten auf dem Handy ihrer Liebsten eine illegale Schnüffel-App installiert. «Meine Freundin hat keine Ahnung, dass ich einen Locator installiert habe. Eine weitere App lässt sich aus der Ferne einschalten, damit kann ich von überall Kamera und Mikrofon unbemerkt aktivieren.» Sie habe ihm versprochen, ihn nicht mehr zu betrügen. «Jetzt kann ich mich sogar selbst davon überzeugen. Es hört sich übertrieben an, aber sie wird die Mutter meiner Kinder. Ich hoffe, sie wird mich irgendwann verstehen.»

Zur Studie: Für die Smartphone-Jugendstudie von Sunrise befragte das Forschungsinstitut Sotomo online 2611 Personen aus der ganzen Schweiz, die zwischen 15 und 30 Jahre alt sind. Die Daten wurden nach Alter, Geschlecht und Sprachregion gewichtet. Die Gewichtung gewährleistet eine hohe soziodemografische Repräsentativität der Stichprobe. Der Stichprobenfehler beträgt +/–3 Prozentpunkte.
© Dr. Klaus Heer: Psychologe – Paartherapeut – Autor