Dr. Klaus Heer

Zukunftsdialog Zürich, 7. Mai 2016
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Grundeinkommen & Zweisamkeit

Öffentliche Debatte im Grossmünster Zürich am 7. Mai 2016. Impuls-Vortrag von Klaus Heer
Zehn Thesen
zum Grundeinkommen möchte ich Ihnen vorlegen. Nicht 95 wie Martin Luther vor 500 Jahren in Wittenberg. Aber auch heute geht es am Rand um Geld. Im Zentrum dieser Thesen steht die Frage, wie das BGE zu denken sein könnte innerhalb von Paar und Familie.
 
These 1
Das Bedingungslose Grundeinkommen ist nur das Bedingungslose Grundeinkommen und nicht die Lösung von Problemen. Sagt einer der prominentesten lebenden BGE-Vordenker, Enno Schmidt, sinngemäss in seinem druckfrischen neuen Buch «Grundeinkommen von A bis Z». Will heissen: Das Grundeinkommen ist keine ambivalenzfreie romantische Vision.
 
These 2
Der Status quo der Verteilung von Erwerbs-Arbeit und Care-Arbeit ist unglücklich und ungerecht. Sowohl in der Gesellschaft als auch in den vier Wänden. Das Bedingungslose Grundeinkommen bringt dieses Ungleichgewicht nicht automatisch in Ordnung. Es schafft aber günstigere Voraussetzungen für ein Gleichgewicht.
 
These 3
Es heisst: «Die Männer müssen sich künftig weit mehr an der unbezahlten Care-Arbeit beteiligen als bisher. Sonst haben wir nie eine geschlechter-gerechte Gesellschaft». Diese Forderung ist ein frommer Wunsch. Auch wenn das Basis-Einkommen die Basis-Arbeit ermöglicht. Auch wenn sie fast allen einleuchtet, Frauen und Männern.
 
These 4
Das Bedingungslose Grundeinkommen funktioniert nicht als Anreiz. Die Frömmigkeit des Wunsches ist zu flau, auch wenn er sich in Franken und Rappen ausdrückt. Grundeinkommen heisst Umdenken. Zerebral und mit Herz. Nicht mit dem Geldbeutel.
 
These 5
Umdenken braucht Anstoss. Nicht nur, aber besonders bei den Männern. Denn sie empfinden das Umdenken als drohenden Verlust von angestammten Privilegien. Nur Erwerbsarbeit bringt Geld. Und Hand auf die Brieftasche: Wer verabschiedet sich schon ohne weiteres von seinen Gewohnheitsrechten?
 
These 6
Männliches Umdenken könnte auch dem Muster «Mehr desselben» folgen und ungefähr so klingen: «Was willst du? Du hast ja jetzt dein Grundeinkommen und bist als Mutter und Hausfrau bezahlt.» Oder die weibliche Variante von «Mehr desselben» hat Anita Kessler, 48, Mutter von 3 Kindern, am 22. April in der Gratiszeitung 20Minuten auf die Kurzformel gebracht: «Ich bin lieber von meinem Mann abhängig als vom Staat.»
 
These 7
Umdenken bringt Freiheit. Das Bedingungslose Grundeinkommen schafft Raum – Freiraum, Spielraum zwischen Mann und Frau. Verhandlungsspielraum für die Frage: Wer arbeitet wieviel bezahlt und wieviel unbezahlt? Die Verteilung ist gerecht, sobald sie sie beide erprobt und als gerecht empfunden haben. Das heisst: Die neue Freiheit ist viel anspruchsvoller als die alten Sachzwänge.

These 8
Der Raum für Ausreden wird enger mit dem Bedingungslosen Grundeinkommen. Sätze wie «Mein Chef will nicht, dass ich reduziere» oder «Schliesslich verdiene ich 350 Franken mehr als du» werden die Macht der bisherigen Killerargumente weitgehend eingebüsst haben.
 
These 9
Meine Paartherapie-Praxis wird noch voller werden als sie heute schon ist. Nur wenige Paare verstehen sich auf das Sich-Verständigen, Verhandeln und Einander-Entgegenkommen. Die meisten versuchen Differenzen mit Streit oder Stummheit zu lösen. Geht nicht.
 
These 10
Auch in der Welt des Grundeinkommens ist Prävention einfacher als nachträgliche Korrektur. Eine Frau, die sich mit ihrem Mann auf Nestbau und Brutpflege einigt, muss gewissenhaft selbst dafür sorgen, dass Erwerbs- und Care-Arbeit fair verteilt sind. Genau genommen geht das nur schriftlich und vertraglich. Das ist angewandte Emanzipation von Frau und Mann.
 
Weitere Autor*en von Impuls-Vorträgen:
Adolf Muschg, Autor
Jacqueline Badran, Nationalrätin
Frank Mathwig, Ethiker
Daniel Straub, Mitinitiant
© Dr. Klaus Heer: Psychologe – Paartherapeut – Autor