Dr. Klaus Heer

emotion 3/2008
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«Erfinden Sie doch NEUE Worte!»

Nicht jeder ist der geborene Verbalerotiker. Oder? Paartherapeut Klaus Heer meint: Wer sich im Bett mehr zu sagen traut, hat den besseren Sex.
«Gib’s mir, Baby!» Muss ich solche Ausrufe von mir geben, wenn ich nicht als verklemmte Bettgenossin gelten will?
Unverklemmtheit äußert sich nicht unbedingt in Form von Verbalerotik. Aber wer sich beim Sex auch sprachlich begegnet, ist meiner Meinung nach auf dem richtigen Weg zu einem befriedigenderen Liebesleben. Denn Sprache ist das, was uns Menschen ausmacht, was uns von Tieren unterscheidet. Sie in das Liebesspiel einzubauen, ist daher wie ein evolutionärer Fortschritt. Warum es uns so schwerfällt, unsere sexuellen Begegnungen sozusagen «zu vertonen», ist eigentlich schwer verständlich.

Wie kann ich testen, ob ich mich bisher nur nicht getraut habe oder ob «Dirty Talk» einfach nicht mein Ding ist?
Erfüllter Sex erfordert immer Investition. Beim Thema Verbalerotik ist das genauso: Nur wer Lust und Neugierde mitbringt, wird sich gemeinsam der erotischen Sprache nähern und sie kennenlernen. Wie bei jeder anderen Sprache braucht es Zeit, Kenntnisse zu erwerben, sie zu festigen und sich in dem Land zu bewegen, in dem sie gesprochen wird. Schnellkurse gibt es da leider nicht.

Wenn ich also in das Erlernen dieser Sprache investieren will – welche Übungen können Sie empfehlen?
Zunächst sollten Sie sich auf Ihre Wortlosigkeit bewusst konzentrieren. Unterdrücken Sie einmal selbst kleinste Laute Ihrer Erregung und schlafen Sie tonlos mit Ihrem Partner. Aber achten Sie gezielt darauf: Was für feine Geräusche geben Ihre Körper ab, die Sie vielleicht bisher überhört haben? Ein Atmen, ein Schnauben oder auch Streicheln? Ganz nebenbei entdecken Sie, was Ihnen dabei fehlt und was Sie Ihrem Partner vielleicht schon beim nächsten Mal ins Ohr flüstern möchten.
Dann bleibt aber immer noch das Problem: Wie finde ich die richtigen Worte?
Erotisches Vokabular ergibt sich, wenn Sie nach Metaphern suchen. Wie wäre es zum Beispiel mit «Nektar» oder «Creme» als Metapher für Sperma, bei der eine Prise erotischer Energie mitschwingt? Gefällt Ihnen das Repertoire verfügbarer Synonyme nicht, erfinden Sie einfach neue Wörter – wie etwa «Liebesschaum». Haben Sie Lust auf Konkretes, versuchen Sie einfach mal auszusprechen, was Sie empfinden. Statt zu keuchen sagen Sie ihm also:«Der Schweiss auf deiner Haut macht mich total an.»

Und wie kann ich meinen erotischen Sprachschatz erweitern?
Probieren Sie aus, welche Äusserungen Ihnen ohne Scham über die Lippen kommen. Ist es für Sie aufregend oder doch eher peinlich, wenn Sie Ihrem Partner ins Ohr flüstern: «Du machst mich heiss»? Wie reagiert er darauf? Animiert Sie sein Feedback weiterzumachen? Wenn Sie auf den Geschmack gekommen sind, üben Sie, gemeinsam mit ihm zu assoziieren: Welche luststeigernden Adjektive verbinden Sie beispielsweise mit dem Wort «Lippen»? Vielleicht haben Sie die Assoziationen «sanft» und «weich», vielleicht aber auch «prall» und «feucht». Welche Komplimente fallen Ihnen beim Stichwort «Schenkel» oder «Gänsehaut» ein? Die Kreationen, die Ihnen spontan am besten gefallen, bauen Sie beim nächsten Mal in Ihr Liebesspiel ein. Probieren Sie es einfach aus!
© Dr. Klaus Heer: Psychologe – Paartherapeut – Autor