astrea Apotheke Oktober 2020
«Das Selbstbild macht Kopfstand»
Frau hat sie. Mann auch. Nur anders. Der Mann erlebt im Alter zwischen vierzig und fünfzig Jahren einen Um- und Abbauprozess. Die Wechseljahrsymptome machen sich auf der körperlichen und psychischen Ebene bemerkbar.
VON FABRICE MÜLLER
VON FABRICE MÜLLER
Ein Sportwagen. Bart statt Glattrasur. Oder gar eine junge Freundin. Im Alter zwischen vierzig und fünfzig
Jahren etwa tun Männer oft Dinge, die ihnen vorher wenig bedeuteten. Sie krempeln ihr Leben um, achten auf einmal auf ihre Figur, treiben plötzlich Sport oder machen sich ernsthaft Gedanken über den Sinn des Lebens. «Lebensmitte- Krisen treffen heute zunehmend beide Geschlechter ähnlich», sagt der Psychologe und Paartherapeut Klaus Heer aus Bern, «doch der biografische Horizont tritt bei Männern vielleicht noch etwas heftiger hervor, weil ihnen Leistung ein Leben lang die wichtigste Disziplin ist.» Irgendwann, meist viel früher als erwartet, geht es damit bergab. Alles, was einem lieb und teuer ist, kommt fast unmerklich ins Rutschen. «Die typische männliche Reaktion auf das Abwärts ist die Angst. Die Angst vor der schiefen Ebene, auf der Mann sich wähnt. Und diese Angst ist berechtigt», betont der Psychologe. Denn: Alles wird weniger. Grundlegende Existenzfragen melden sich, wenn alles um ihn herum momentweise abnimmt. Soll das jetzt alles gewesen sein? Habe ich bei wichtigen Entscheidungen in meinem Leben womöglich auf das falsche Pferd gesetzt? «Wenn irgendwo der Wurm drin ist – sei es in der Firma, zu Hause oder gesundheitlich – dann wird’s recht düster», stellt Klaus Heer fest. In solchen Situationen mobilisieren die Betroffenen oft die Notfallaggregate, die den Untergang aufhalten sollen: Mountainbike, Ernährungsumstellung, neue Frau.
Nicht alarmierend, aber beunruhigend Der Um- und Abbauprozess, in dem sich der Mann während der Wechseljahre befindet, läuft – so Klaus Heer – «gnädig» ab. Mann habe die Chance, sich laufend daran zu gewöhnen, sich damit abzufinden und langsam in sein Selbstbild einzubauen: Weniger Erinnerungsvermögen und Konzentration, mehr innere Unruhe und Trübung, mehr Bauchfett, trockenere Haut, müdere Stimmung, weniger Muskeln und schwindende sexuelle Leistung – ja sogar rückläufige Bedürfnisse in dieser Richtung. «Nichts wirklich konkret Alarmierendes, aber insgesamt schon beunruhigend», findet Klaus Heer und wagt einen Vergleich: «Das Männerklimakterium ist wie der Klimawandel. Lieber nicht an die längerfristige Entwicklung denken.»
Sinkender Testosteronspiegel
Die Hormone spielen bei den Wechsejahren eine zentrale Rolle, sei es bei der Frau oder beim Mann. Der Testosteronspiegel des Mannes sinkt, jedoch nicht bei allen gleich schnell. Der Rückgang hängt vom Sexualleben des Mannes, von der Ernährung und der Bewegung ab. Prägen Stress und Zeitmangel den Alltag, währenddem Mann kaum eine Möglichkeit findet, sich zu entspannen, kann Testosteron nicht mehr in hohen Dosen nachgebildet werden. Als Folge davon kommt es zum Absinken des Hormonspiegels und somit zu Symptomen, die ein Mann nur in den Wechseljahren verspürt. Auch das Geschlechtshormon DHEA (Dehydroepiandrosteron) sinkt im Laufe der Jahre. Dies ist deshalb relevant, weil es als Hauptvorläufer der Geschlechtshormone gilt.
Jahren etwa tun Männer oft Dinge, die ihnen vorher wenig bedeuteten. Sie krempeln ihr Leben um, achten auf einmal auf ihre Figur, treiben plötzlich Sport oder machen sich ernsthaft Gedanken über den Sinn des Lebens. «Lebensmitte- Krisen treffen heute zunehmend beide Geschlechter ähnlich», sagt der Psychologe und Paartherapeut Klaus Heer aus Bern, «doch der biografische Horizont tritt bei Männern vielleicht noch etwas heftiger hervor, weil ihnen Leistung ein Leben lang die wichtigste Disziplin ist.» Irgendwann, meist viel früher als erwartet, geht es damit bergab. Alles, was einem lieb und teuer ist, kommt fast unmerklich ins Rutschen. «Die typische männliche Reaktion auf das Abwärts ist die Angst. Die Angst vor der schiefen Ebene, auf der Mann sich wähnt. Und diese Angst ist berechtigt», betont der Psychologe. Denn: Alles wird weniger. Grundlegende Existenzfragen melden sich, wenn alles um ihn herum momentweise abnimmt. Soll das jetzt alles gewesen sein? Habe ich bei wichtigen Entscheidungen in meinem Leben womöglich auf das falsche Pferd gesetzt? «Wenn irgendwo der Wurm drin ist – sei es in der Firma, zu Hause oder gesundheitlich – dann wird’s recht düster», stellt Klaus Heer fest. In solchen Situationen mobilisieren die Betroffenen oft die Notfallaggregate, die den Untergang aufhalten sollen: Mountainbike, Ernährungsumstellung, neue Frau.
Nicht alarmierend, aber beunruhigend Der Um- und Abbauprozess, in dem sich der Mann während der Wechseljahre befindet, läuft – so Klaus Heer – «gnädig» ab. Mann habe die Chance, sich laufend daran zu gewöhnen, sich damit abzufinden und langsam in sein Selbstbild einzubauen: Weniger Erinnerungsvermögen und Konzentration, mehr innere Unruhe und Trübung, mehr Bauchfett, trockenere Haut, müdere Stimmung, weniger Muskeln und schwindende sexuelle Leistung – ja sogar rückläufige Bedürfnisse in dieser Richtung. «Nichts wirklich konkret Alarmierendes, aber insgesamt schon beunruhigend», findet Klaus Heer und wagt einen Vergleich: «Das Männerklimakterium ist wie der Klimawandel. Lieber nicht an die längerfristige Entwicklung denken.»
Sinkender Testosteronspiegel
Die Hormone spielen bei den Wechsejahren eine zentrale Rolle, sei es bei der Frau oder beim Mann. Der Testosteronspiegel des Mannes sinkt, jedoch nicht bei allen gleich schnell. Der Rückgang hängt vom Sexualleben des Mannes, von der Ernährung und der Bewegung ab. Prägen Stress und Zeitmangel den Alltag, währenddem Mann kaum eine Möglichkeit findet, sich zu entspannen, kann Testosteron nicht mehr in hohen Dosen nachgebildet werden. Als Folge davon kommt es zum Absinken des Hormonspiegels und somit zu Symptomen, die ein Mann nur in den Wechseljahren verspürt. Auch das Geschlechtshormon DHEA (Dehydroepiandrosteron) sinkt im Laufe der Jahre. Dies ist deshalb relevant, weil es als Hauptvorläufer der Geschlechtshormone gilt.
Einfluss auf die Partnerschaft
Sind Wechseljahre eine Belastung für die Partnerschaft? «Nur wenige Partnerschaften sind dauerndem Stress gewachsen», sagt der Paartherapeut. Wenn die Belastungen bei beiden Partnern zunehmen, sei die Beziehung mehr und mehr überfordert damit. «Man geht sich gegenseitig auf den Geist. Frauen machen sich häufig Sorgen um ihren Mann, der seine psychischen und physischen Veränderungen nach ihrer Einschätzung nicht ernst genug nimmt. Diese Sorgen kommen beim Mann als Bevormundung und Repression an», beobachtet Klaus Heer. Reaktion des Mannes: Er wehrt und verschanzt sich dagegen. «Das ist krass ungemütlich. Für beide. Und auch schwer sanierbar. Es fehlen die nötigen beziehungsinternen Ressourcen.»
Sind Wechseljahre eine Belastung für die Partnerschaft? «Nur wenige Partnerschaften sind dauerndem Stress gewachsen», sagt der Paartherapeut. Wenn die Belastungen bei beiden Partnern zunehmen, sei die Beziehung mehr und mehr überfordert damit. «Man geht sich gegenseitig auf den Geist. Frauen machen sich häufig Sorgen um ihren Mann, der seine psychischen und physischen Veränderungen nach ihrer Einschätzung nicht ernst genug nimmt. Diese Sorgen kommen beim Mann als Bevormundung und Repression an», beobachtet Klaus Heer. Reaktion des Mannes: Er wehrt und verschanzt sich dagegen. «Das ist krass ungemütlich. Für beide. Und auch schwer sanierbar. Es fehlen die nötigen beziehungsinternen Ressourcen.»
«Am besten tut Mann etwas gegen seine Einsamkeit.»
Mann braucht einen Freund
Doch was kann der Mann tun, um seine Wechseljahrsymptome einigermassen unbeschadet zu überstehen? «Am besten tut Mann etwas gegen seine Einsamkeit», empfiehlt Klaus Heer. Die leidigste Einsamkeit sei bekanntlich jene zu zweit. Beziehung schützt vor Einsamkeit nicht. Im Gegenteil: «Mann braucht Freund. Nicht einen Kumpel oder Kollegen, nein, einen richtigen Freund. Oder auch zwei. Jemanden, den er voll ins Vertrauen ziehen kann.» Andernfalls bestehe die Gefahr, dass er – so ganz allein und stumm – womöglich vom biografischen Wandel ausgelaugt werde. Als Paartherapeut versuche Klaus Heer, herauszufinden, wie die beiden einander konkret beistehen können.
Ernährung, Bewegung, Sexualität
Auf der physiologischen Ebene kann der Mann mit Wechseljahrsymptomen über eine ausgewogene Ernährung, also mit mehr Gemüse statt Fleisch, seinem Körper mehr Energie zuführen. Allerdings sollten nicht mehr Kalorien zu sich genommen werden, als der Körper verbrauchen kann. Weiter wird eine Flüssigkeitsaufnahme von zwei Litern pro Tag empfohlen. Ein weiteres wichtiges Thema ist die Sexualität: Mit einem erfüllten Sexualleben ist der Leidensdruck weniger gross. Regelmässiger Sport sorgt dafür, dass der Körper jung bleibt und Glückshormone ausgeschüttet werden. Gleichzeitig darf die Entspannung nicht fehlen.
Doch was kann der Mann tun, um seine Wechseljahrsymptome einigermassen unbeschadet zu überstehen? «Am besten tut Mann etwas gegen seine Einsamkeit», empfiehlt Klaus Heer. Die leidigste Einsamkeit sei bekanntlich jene zu zweit. Beziehung schützt vor Einsamkeit nicht. Im Gegenteil: «Mann braucht Freund. Nicht einen Kumpel oder Kollegen, nein, einen richtigen Freund. Oder auch zwei. Jemanden, den er voll ins Vertrauen ziehen kann.» Andernfalls bestehe die Gefahr, dass er – so ganz allein und stumm – womöglich vom biografischen Wandel ausgelaugt werde. Als Paartherapeut versuche Klaus Heer, herauszufinden, wie die beiden einander konkret beistehen können.
Ernährung, Bewegung, Sexualität
Auf der physiologischen Ebene kann der Mann mit Wechseljahrsymptomen über eine ausgewogene Ernährung, also mit mehr Gemüse statt Fleisch, seinem Körper mehr Energie zuführen. Allerdings sollten nicht mehr Kalorien zu sich genommen werden, als der Körper verbrauchen kann. Weiter wird eine Flüssigkeitsaufnahme von zwei Litern pro Tag empfohlen. Ein weiteres wichtiges Thema ist die Sexualität: Mit einem erfüllten Sexualleben ist der Leidensdruck weniger gross. Regelmässiger Sport sorgt dafür, dass der Körper jung bleibt und Glückshormone ausgeschüttet werden. Gleichzeitig darf die Entspannung nicht fehlen.
© Dr. Klaus Heer: Psychologe – Paartherapeut – Autor