Dr. Klaus Heer

Dieser Verzicht gilt als schwer zu erreichende Beziehungsfähigkeit. Ist aber alles andere als Gleichgültigkeit.

Sie sind wohl hin und her gerissen. Zwischen Verstehen und Verstandenwerdenwollen. Ich auch.

Liebe ist doch das naheliegende Vergnügen, sich verstanden zu fühlen, nicht wahr?!

Also gut, meine Wirklichkeit ist für meinen Partner ja auch nicht gerade berauschend.

Wenn diese Wirklichkeit schön ist, mag die Definition angehen.

Das ist Ihnen viel zu karg? Zu prosaisch? Da bleiben Sie wirklich lieber Single.

Ja! Gepflegte Faulheit könnte es bringen. Besonders im Bett.

Das verstehe ich nicht. Muss man nicht ständig Beziehungsarbeit leisten?

Versprechen Sie sich mehr von der Urfassung: «Müssiggang ist aller Laster Anfang.»?

Oder zeitgemäss ausgedrückt: Liebe hat herzlich wenig mit romantischem Schmus gemein.

Sie können sich unter dem entsetzlichen Abgrund nichts vorstellen? – Warten Sie’s ab.

Diese Miesepeterei mögen Sie nicht? Lieber den Blumenstrauss einfach an sich reissen, solange er vor Ihrer Nase ist?

Ist aber nichts für schwache Nerven, wenn beide langsam und unaufhaltsam verschrumpeln.

Wär Ihnen eventuell der Hazel Brugger-Satz lieber: «Liebe ist, wenn man sich so lange gehen lässt, bis man nicht mehr gehen kann.»?

Liegt Ihnen der romantische Traum vom «Gemeinsam alt werden» näher? Ohne indes je wirklich alt sein zu müssen ...

Sind Sie – im Gegensatz zu mir – sicher, dass Sie Erika Burkarts Lyrik verstanden haben?

Liebe soll also etwas mehr mit suchen als mit finden zu tun haben, hä?

Warum nicht einfach lieben, wenn’s kompliziert auch geht, nicht wahr?

Moment! Sie wollen doch nicht etwa, wie die Online-Kuppelagentur, allen Ernstes Liebe und Verliebtheit durcheinanderbringen!?

Sie liebäugeln also mit dem trüben romantischen Matching-Schmus? Schlafen Sie nochmal drüber.

Mir auch nicht. Dafür dem Schweizer Schriftsteller Thomas Meyer («Trennt euch!» 2017), der kühn behauptet, vierfünftel aller Paare passten nicht zusammen und seien dringend trennungsreif. Das ist beziehungsinterne Gleichmacherei. Finde ich.

Ja, berührt mich auch, sehr sogar. Ein federleichter Gedanke, der zum Ballastabwerfen verlockt!

Was verstehen Sie unter «Vergnügen»? Etwas anderes als Ihre Partnerin/Ihr Partner?

Sie haben also höhere Ansprüche an Ihre Beziehung? Welche? Sind Sie sicher, dass sie erfüllbar sind??

Ich fürchte, Frau E.-E. hat Recht! Jedenfalls was die Ehe betrifft. Doch von der Liebesmüh' Lohn sagt sie nichts...

Vielleicht passt Ihnen nur der zweite Satz richtig. Das genügt zum Verständnis der beiden Sätze.

Eventuell ziehen Sie einen anderen Gedanken von Frau E.-E. vor: «Die meisten Menschen brauchen mehr Liebe, als sie verdienen».

Stimmt wohl nur, wenn dabei das Herzstück der Beziehung heil geblieben ist.

Sie haben Recht: Es hängt doch klar davon ab, wie man das mit dem anderen durchgemacht hat.

Was Sie durchgemacht haben, können und wollen Sie nicht mehr Liebe nennen? Eher: «Masochismus»?

…oder wie er noch nicht ist: Mit Ihrer Liebe können vielleicht Sie die schlummernden besten Seiten des anderen ans Licht bringen.

Und wer möchte Sie so sehen, wie Sie am liebsten wären? Das könnte Sie wärmen und beflügeln!

Sie finden, es ist schon schwer genug, den anderen zu sehen wie er ist? Wie Recht Sie haben!

Alle Achtung! Ihre Ehrlichkeit ist unerbittlich! Dafür verdienen Sie wirklich, geliebt zu werden.

Ihr Zögern ist vermutlich berechtigt: Niemand hat eine Ahnung, was Liebe wirklich ist.

Ihre Liebe ist uneigennützig, sagen Sie also. Ihr Partner/Ihre Partnerin weiss am Besten, obs wirklich stimmt.

Hat Sie das Zusammenleben auch ernüchtert? Nüchtern lässt sich vielleicht noch besser lieben!

Zugegeben, eine ziemlich krass männliche Sicht auf die Liebe! Anregend immerhin...

Klingt brutal, nicht wahr? Nicht so schlimm: Der alte scharfsinnige Ironiker Lichtenberg liebte das aufklärerische Augenzwinkern.

Eben! Vielleicht hat Sie auch schon der Gedanke gestreift: «Huch, freundschaftliche Gefühle wären vielleicht weniger zerbrechlich. Und wohliger.»!

Sie liebäugeln mit einer neuen Sicht auf Ihre Beziehung?

Lieber ein unglückliches Liebespaar als liebenswürdige Freunde? Wirklich?

Ah, Sie haben also ein liebendes Auge für das vielfältige Leben im Liebessumpf?!

Dann überzeugt Sie Richard Dehmel auch nicht ganz: «Aber die Liebe ist das Trübe.»?

Fester Boden unter den Füssen ist Ihnen lieber?

Sind Sie wirklich schon soo reif?

Glück, Leiden & Liebe in einem einzigen Zitat – das überfordert Sie?

So was Miesepeteriges hätte man dem Hesse gar nicht zugetraut!

Ja, offenbar ist nichts gratis: Auch die Liebe war schon immer gebührenpflichtig!

Sind Sie unsicher, ob die Liebe nicht doch ein Geschenk sein sollte?

Sie meinen, der überrissene Preis werde Ihnen diktiert?

Ihnen genügt es offenbar: Da sein ist Lieben! Wetten, Sie sind eine Frau!

Ja, noch eine Weile auf dem sperrigen Zitat herumkauen!

Beschissen, immer zu wenig oder das Falsche zu tun, nicht wahr?

Max Frisch wäre einverstanden: «Erst das Geheimnis, das ein Mann und ein Weib voreinander hüten, macht sie zum Paar.»

Klingt das anstrengend in Ihren Ohren?

Sie sind für die gläserne Ehe: «Wenn man sich liebt, hat man nichts zu verstecken.»?

Genau das fand später auch der französische Psychoanalytiker Jacques Lacan: «Das Begehren begehrt das Begehren des anderen.»

Macht es Sie unsicher, dass Liebe kurzerhand mit Begehren gleichgesetzt wird?

Sie haben vermutlich Recht: Liebe ist keine Krankheit. Aber Begehrtwerdenwollen ist auch nicht Liebe.

Mit welchem der beiden Satzteile sind Sie besonders einverstanden?

Vielleicht verstehen Sie nicht auf Anhieb, wie sich der Adorno die Liebe vorstellt – schwach oder stark.

Denken Sie ganz einfach: Beide Liebenden sollen so sein können, wie sie sind?