Dr. Klaus Heer

20minuten vom 9. Februar 2021
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Gegen übergriffigen Sex zu Hause gibt es leider keine App

In Dänemark ist eine App auf den Markt gekommen, in welcher Personen ihre Zustimmung zu sexuellen Kontakten mit anderen Personen geben können. Dies kann aber auch problematisch sein, schätzen zwei Sex-Experten ein.

VON DOMINIQUE ZEIER
Darum geht’s

  • In Dänemark gibt es neu eine App, in der man offiziell zum Sex mit einer anderen Person zustimmen kann.
  • Die Zustimmung gilt für einen Tag und eine sexuelle Begegnung.
  • Der Gedanke dahinter ist gut, das Konzept wirft aber einige Probleme auf, findet eine Sex-Expertin.
  • So löst eine solche App das Problem nicht, dass Menschen sich nicht getrauen, ihre Meinung zu ändern.
Eine neue App, die in Dänemark lanciert wurde, soll die Zustimmung von Sex-Partnern vor einem sexuellen Kontakt offiziell festhalten. Die Bedienung von iConsent ist ganz einfach: Zunächst gibt man die Telefonnummer jener Person ein, mit der man Sex haben möchte. Diese Person bekommt daraufhin eine Benachrichtigung und kann dem Geschlechtsverkehr zustimmen oder ihn ablehnen. Diese ist für eine einzige sexuelle Begegnung und für 24 Stunden lang gültig.

Der Hintergrund zur Entwicklung dieser App ist ein neues Gesetz, das im Dezember in Dänemark in Kraft getreten ist. Dieses hält fest, dass jegliche sexuelle Handlungen, denen nicht explizit zugestimmt wurde, als Vergewaltigung gelten soll. Zuvor war es nötig gewesen, Gewalt oder einen Angriff nachzuweisen, um eine Vergewaltigung vor Gericht durchzubringen.

Bringt eine Konsens-App etwas?

«Grundsätzlich ist die Idee einer solche App gut», sagt die klinische Sexologin Dania Schiftan. «Denn Sex soll nur stattfinden, wenn ein Konsens besteht und die Notwendigkeit für eine solche App zeigt, dass ein riesiges Ungleichgewicht herrscht, weil viel zu viel Sex stattfindet, dem nicht explizit zugestimmt wird.» Gleichzeitig sei die App aber leider nicht sonderlich Sex-positiv. «Es vermittelt den bitteren Beigeschmack, dass Sex immer eine Bedrohung oder nichts Gutes ist.»

Ausserdem sei es fragwürdig, ob sich jemand mit schlechten Absichten die Mühe machen würde, eine solche App zu benutzen, so Schiftan. Darüber hinaus werde sie Situationen nicht wirklich gerecht, in welchen man seine Meinung über einen sexuellen Kontakt ändert. «In einem solchen Moment sollte man nicht zuerst zum Handy greifen müssen.»

«Gedankenanstoss liefern»

«Daher sehe ich vor allem Probleme bei der Umsetzung dieser App», so Schiftan. «Denn was in der Gesellschaft eigentlich passieren müsste, ist ein Umdenken und Umlernen, was die Sexualität betrifft. Jeder und jede sollte lernen, dass sich die eigenen Bedürfnisse kontinuierlich verändern können und ein einmaliges Ja oder Nein nicht bedeutet, dass es für immer ein Ja oder Nein bleiben wird.»

Die App könne allerdings dabei helfen, einen ersten Gedankenanstoss zu liefern, dass sich die Leute überhaupt erst einmal Gedanken dazu machen, dass Konsens etwas ist, dass ständig gegeben aber auch wieder zurückgezogen werden kann. «Daher wäre ich auch nicht gegen eine Einführung einer solchen App in der Schweiz. Man muss sich einfach bewusst sein, dass es sich dabei nicht um die ultimative Lösung handelt», so Schiftan.

Grossteil sexueller Übergriffe im Haushalt

Ähnlich sieht dies auch Psychologe und Paartherapeut Klaus Heer. «Eine App wie iConsent kann in bestimmten Umständen sicherlich klärend und hilfreich sein. Gerade wenn man über Dating Apps wie Tinder an sexuellen Fastfood herankommen möchte, handelt man riskant bis hochriskant. Apps wie iConsent können das Risiko wenigstens teilweise verringern.»

Vorsicht sei aber dennoch geboten, gerade wenn der Konsens via App gegeben wurde, anschliessend die Meinung aber geändert wird. Wer versuche, eine Person von der Änderung dieser Angabe in einer solchen App abzuhalten, handle im Sinne des Gesetzgebers klar kriminell.

Es müsse aber auch beachtet werden, dass ein Grossteil der sexuellen Übergriffe gar nicht mit fremden Personen geschehe, so Heer. «Ganz generell darf man nicht vergessen, dass 62 Prozent der Vergewaltigungen in der Schweiz zu Hause stattfinden. Seit 17 Jahren ist eheliche Vergewaltigung ein Offizialdelikt, ein Problem ist es allerdings nach wie vor.» In dieser Hinsicht könne er sich keine zweckdienliche App vorstellen.
© Dr. Klaus Heer: Psychologe – Paartherapeut – Autor