Nau.ch vom 16. April 2023
«Warum verlieben sieh Frauen in Sträflinge?»
Kim ist mit einem US-Häftling verlobt. Sie ist nicht die erste Frau, die sich auf einen Straftäter einlässt. Ein Experte spricht vom «Romeo-und-Julia-Effekt».
VON YANNICK STAU & ANNA BAUMERT. MIT EXPERTENQUOTES VON KLAUS HEER
VON YANNICK STAU & ANNA BAUMERT. MIT EXPERTENQUOTES VON KLAUS HEER
Das Wichtigste in Kürze
- Die Aargauerin Kim liebt einen Mann, der in den USA hinter Gittern sitzt.
- Ein Experte erklärt dies mit dem «Romeo-und-Julia-Effekt».
- Dass das Gefängnis die Beziehung belastet, glaubt er nicht – im Gegenteil.
Die Aargauerin Kim hat ihre grosse Liebe gefunden: Sie hat sich Hals über Kopf in den US-Amerikaner William verliebt. Die beiden führen seit über einem Jahr eine Fernbeziehung und sind inzwischen sogar verlobt.
Daran brisant: Der Kalifornier sitzt in den USA aktuell eine Haftstrafe ab. Er habe früh angefangen, mit Drogen zu handeln, und schon mehrere Menschen angeschossen. Diese hätte er aber anschliessend immer ins Spital gefahren, so die Schweizerin.
Kim ist kein Einzelfall: Immer wieder kommt es vor, dass sich Frauen in verurteilte Straftäter verlieben. Aber woran liegt das? Nau.ch hat bei Experten nachgefragt.
Liebes-Erfolgschancen «haargenau gleich gross»
Paartherapeut Klaus Heer beruft sich in dem Zusammenhang auf den «Romeo-und-Julia-Effekt»: «Je widriger die Umstände sind, desto attraktiver wird die Liebe für die Liebenden», erklärt er.
Dabei sei die Erfolgschance einer solchen Liebe «haargenau gleich gross» wie bei jeder anderen Liebe, ist Heer sicher. Denn: «Verrückte Verliebte sind immer verrückt, egal ob einer von beiden gerade hinter Gittern sitzt.» Erst später, nachdem die Vernunft wieder eingesetzt hat, sei es anspruchsvoll, «die Liebe erfolgreich am Leben zu erhalten».
Dass das Gefängnis die Liebe belastet, glaubt der Paartherapeut nicht. Im Gegenteil: «Es beflügelt und vertieft sie.»
«Jeder Liebende sehnt sich ja danach, dass seine Liebe möglichst einmalig und einzigartig sei», so Heer. «Und wer erlaubt sich schon die Extravaganz, sich mit einem richtigen Knasti einzulassen?»
Neben der Aargauerin ist die Ex-Gefängniswärterin Angela Kiko (früher Magdici) ein prominentes Beispiel dafür. Im Februar 2016 befreite sie den Häftling Hassan Kiko aus dem Gefängnis in Dietikon ZH.
Die beiden flüchteten in die italienische Lombardei, wo sie fünf Wochen später geschnappt wurden. Der verurteilte Vergewaltiger wanderte wieder hinter Gitter – was das Paar allerdings nicht davon abhielt, zu heiraten.
Der wohl berühmteste Fall ist allerdings der US-Serienmörder Ted Bundy. Er ermordete mindestens 30 Frauen – und schloss im Gefängnis gleich zweimal den Bund der Ehe.
«Bonnie-und-Clyde-Syndrom»
Bei Beziehungen zwischen Frauen und Häftlingen sei das «Bonnie-und-Clyde-Syndrom» zentral, so der Psychologenverband FSP. Und weiter: «Meist geht es dabei um die Anziehung zu Personen, die schwere Verbrechen wie Sexual-, Gewalt- oder Tötungsdelikte begangen haben.»
Der Fachbegriff dazu ist «Hybristophilie». Vor allem Frauen sind vom bisher wenig erforschten Syndrom betroffen. Einsamkeit, ein geringes Selbstwertgefühl oder ein übermässiges Helfersyndrom gelten als mögliche Faktoren
Daran brisant: Der Kalifornier sitzt in den USA aktuell eine Haftstrafe ab. Er habe früh angefangen, mit Drogen zu handeln, und schon mehrere Menschen angeschossen. Diese hätte er aber anschliessend immer ins Spital gefahren, so die Schweizerin.
Kim ist kein Einzelfall: Immer wieder kommt es vor, dass sich Frauen in verurteilte Straftäter verlieben. Aber woran liegt das? Nau.ch hat bei Experten nachgefragt.
Liebes-Erfolgschancen «haargenau gleich gross»
Paartherapeut Klaus Heer beruft sich in dem Zusammenhang auf den «Romeo-und-Julia-Effekt»: «Je widriger die Umstände sind, desto attraktiver wird die Liebe für die Liebenden», erklärt er.
Dabei sei die Erfolgschance einer solchen Liebe «haargenau gleich gross» wie bei jeder anderen Liebe, ist Heer sicher. Denn: «Verrückte Verliebte sind immer verrückt, egal ob einer von beiden gerade hinter Gittern sitzt.» Erst später, nachdem die Vernunft wieder eingesetzt hat, sei es anspruchsvoll, «die Liebe erfolgreich am Leben zu erhalten».
Dass das Gefängnis die Liebe belastet, glaubt der Paartherapeut nicht. Im Gegenteil: «Es beflügelt und vertieft sie.»
«Jeder Liebende sehnt sich ja danach, dass seine Liebe möglichst einmalig und einzigartig sei», so Heer. «Und wer erlaubt sich schon die Extravaganz, sich mit einem richtigen Knasti einzulassen?»
Neben der Aargauerin ist die Ex-Gefängniswärterin Angela Kiko (früher Magdici) ein prominentes Beispiel dafür. Im Februar 2016 befreite sie den Häftling Hassan Kiko aus dem Gefängnis in Dietikon ZH.
Die beiden flüchteten in die italienische Lombardei, wo sie fünf Wochen später geschnappt wurden. Der verurteilte Vergewaltiger wanderte wieder hinter Gitter – was das Paar allerdings nicht davon abhielt, zu heiraten.
Der wohl berühmteste Fall ist allerdings der US-Serienmörder Ted Bundy. Er ermordete mindestens 30 Frauen – und schloss im Gefängnis gleich zweimal den Bund der Ehe.
«Bonnie-und-Clyde-Syndrom»
Bei Beziehungen zwischen Frauen und Häftlingen sei das «Bonnie-und-Clyde-Syndrom» zentral, so der Psychologenverband FSP. Und weiter: «Meist geht es dabei um die Anziehung zu Personen, die schwere Verbrechen wie Sexual-, Gewalt- oder Tötungsdelikte begangen haben.»
Der Fachbegriff dazu ist «Hybristophilie». Vor allem Frauen sind vom bisher wenig erforschten Syndrom betroffen. Einsamkeit, ein geringes Selbstwertgefühl oder ein übermässiges Helfersyndrom gelten als mögliche Faktoren
© Dr. Klaus Heer: Psychologe – Paartherapeut – Autor