Dr. Klaus Heer

Nau.ch vom 21. April 2024
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Partner kommt immer ans Freunde-Treffen – das ist gefährlich

Mira M.* nervt sich, weil ihre Freundin immer den Partner zu ihren Treffen mitbringt. Wie führt man so eine Freundschaft weiter?

VON SHANNON HUGHES
Das Wichtigste in Kürze

  • Mira* nervt sich, weil ihre Freundin Tanja* den neuen Partner immer zum Treffen mitbringt.
  • Paartherapeuten raten dazu, sich als Paar nicht sozial abzukapseln.
  • Viele Freundschaften würden unter langjährigen Partnerschaften leiden.
Mira M.* war schon zehn Jahre mit Tanja* befreundet, bevor diese ihren Partner traf. Und dann das: Kurz nachdem Tanja mit ihrem Freund zusammengekommen war, trafen sich die drei nur noch gemeinsam.

Ein Problem mit Tanjas Freund habe Mira nicht, erzählt sie Nau.ch: «Aber sie nimmt ihn ungefragt an unsere Treffen mit. Jedes Mal!» Sie sehe Tanja kaum mehr ohne ihren Partner. Und das belaste die Freundschaft.

Beim letzten Treffen wollte die Luzernerin mit ihrer Freundin über die schwere Zeit in ihrer Familie sprechen. Obwohl Tanja beim Verabreden nicht erwähnt hatte, dass sie ihren Partner mitbringen würde, war er wieder dabei.

Das Paar tauschte zwischen dem Gespräch so viele Zärtlichkeiten aus, dass es Mira richtig unangenehm war. Sie war schockiert: «Wie soll ich mich öffnen, wenn sie vor mir immer herumknutscht?»

Auch Lenny J.* kennt das Problem. In seiner Uni-Gruppe trafen sich alle gemeinsam zum Abschluss des Bachelors. Eine Studienkollegin soll sich kurzerhand vor dem Treffen im Gruppenchat gemeldet haben. Sie meinte, sie könne ihren Freund nicht zwei Stunden allein zu Hause lassen, sonst würde sie sich schlecht fühlen.

Die Kollegin müsse ihren Partner nun mitnehmen, schrieb sie. «Es ist mir einfach geblieben, weil sie es so begründet hat, als wäre er ein Baby-Hündli, das man nicht zwei Stunden aus den Augen lassen kann!», meint der Berner Geschichtsstudent gegenüber Nau.ch.

Liebesschwur «Du bist mein Ein und Alles» nicht wörtlich nehmen
Psycho- und Paartherapeut Reto Mischol kennt das Problem der Balance zwischen Freundschaften. In vielen Beratungen gehe es darum. Verliebte Menschen würden ihre Freundschaften manchmal vernachlässigen, was stimmig sei.

Die andere Seite dieser Entwicklung ist die Vernachlässigung des sozialen Netzwerks. Wenn die neue Liebe immer dabei sei, könne Irritation bei den Freundschaften aufkommen.
Mischol sieht einige Erklärungen, wieso Paare gemeinsam zum Freundestreffen kommen. Menschen in einer Liebesbeziehung würden sich nicht über die Bedeutung von Freundschaften austauschen oder nehmen Freunde als Konkurrenz wahr.

Klaus Heer sieht gar eine Gefährdung für Paare, die sich emotional abkapseln. So könne eine Liebesbeziehung «kaum überleben».

Laut dem Paartherapeuten neigen besonders Männer dazu, sich in der Partnerschaft zu isolieren. «Wenn sie dann mit ihrer Frau in grossen Stress geraten, sind sie in ihrer Beziehungsnot allein,» warnt er gegenüber Nau.ch.

Wie spreche ich es bei meinen Freunden an?
«Die Erfahrung zeigt, dass viele Freundschaften neben einer festen Beziehung nahezu chancenlos sind», meint Heer.

Viele Menschen in langjährigen Partnerschaften hätten anscheinend kein Bedürfnis, andere vertrauensvolle Beziehungen ausserhalb davon zu pflegen. Darum sei es eher heikel, die Freundin darauf anzusprechen.

Reto Mischol rät dazu, zum passenden Zeitpunkt ein offenes und privates Gespräch zu suchen. Statt Vorwürfe zu machen, soll man die eigenen Gefühle in «Ich-Botschaften» ausdrücken. Der Freundin sollte nahegelegt werden, dass die Freundschaft wichtig sei und es auch Zeit ohne den Partner brauche.

*Namen von der Redaktion geändert
© Dr. Klaus Heer: Psychologe – Paartherapeut – Autor