WELT vom 5. Mai 2017
«So fahrlässig gehen die Deutschen mit ihrem Geld um»
Jeder Dritte delegiert laut einer Studie die Verantwortung für seine Finanzen an den Partner. Ein unheilvolles Beziehungsmuster mit riskanten Folgen. Was Vermögensverwalter und Paartherapeuten raten.
VON MICHAEL HÖFINGS
VON MICHAEL HÖFINGS
Es lässt sich nicht wegdiskutieren: Altersarmut wird für viele Bundesbürger zu einer realen Bedrohung werden. Wer sich jung fühlt, lebt aber lieber im Hier und Jetzt und verkennt die Bedeutung, rechtzeitig vorzusorgen. Und wer doch etwas zurücklegt, traut sich meist nicht an die Anlagen heran, die angesichts des Zinsverfalls durch die Notenbankpolitik noch eine nennenswerte Rendite erwirtschaften könnten – und belässt es lieber beim sicheren Tagesgeld.
Doch damit nicht genug: Ein Großteil der Deutschen gibt die Verantwortung für die eigenen Geldgeschäfte – und damit auch die private Altersvorsorge – gleich ganz an den Partner ab. Das ist das Ergebnis einer Postbank-Studie zum Thema Beziehung und Finanzen, die der „Welt“ exklusiv vorliegt. Demnach kümmert sich fast jeder dritte Befragte (30,4 Prozent) nicht selbst darum, was aus seinem sauer verdienten Geld wird.
Doch das kann nach hinten losgehen. „Wer sich blind darauf verlässt, dass sein Partner die Ersparnisse sinnvoll verwaltet, gibt einen riskanten Vertrauensvorschuss“, warnt Iris Laduch-Reichelt von der Postbank. Interessant: Das Problem ist regional unterschiedlich stark ausgeprägt. Während der Wert im Westen bei 28,9 Prozent liegt, delegieren im Osten 37 Prozent der Befragten ihre Finanzen an den Partner.
Auffällig ist auch der Einfluss von Bildung und Haushaltseinkommen: Je höher diese Faktoren, umso eher kümmern sich die Befragten selbst um ihr Geld. „Kenntnisse über Finanzen müssen bereits im Elternhaus und in der Schule vermittelt werden“, fordert daher Laduch-Reichelt, „und zwar nicht abstrakt, sondern praxisnah, interessant und alltagstauglich.“
Man muss nicht viel über Geld wissen
Die Verantwortung für die eigenen Finanzen zu übernehmen, ist aber auch unter psychosozialen Aspekten wichtig. „Es ist grundsätzlich keine gute Idee, sich von einem Menschen abhängig zu machen“, sagt Klaus Heer, Paartherapeut aus Bern. „Man sollte nicht Bequemlichkeit mit Vertrauen verwechseln.“
Jede Aufgabenteilung berge die Gefahr, ein Stück Lebensuntüchtigkeit der Partner zu vertuschen. Besonders krass komme das ans Licht, wenn die Beziehung zerbreche. Doch man kann dieser Entwicklung vorbeugen. „Wichtig ist, das ganze Zusammenleben ständig im Blick zu haben“, sagt Heer. Bin ich noch eigenständig? Wie viel Souveränität habe ich unbemerkt bereits eingebüßt? Habe ich noch die Kraft, den Zerfall der Selbstbestimmung aufzuhalten?
Ein erster Schritt zu mehr Selbstständigkeit ist gar nicht so schwer, auch dann nicht, wenn man vom Thema Geldanlage keine Ahnung hat. „Wer vielleicht auch nur 50 Euro monatlich zur Verfügung hat, kann damit per Sparplan schon eine sinnvolle Basis legen“, sagt Karl-Heinz Geiger, Vorstand der SVA Vermögensverwaltung Stuttgart.
Voraussetzung ist ein Depot bei einem kostengünstigen Onlinebroker, das sich schnell und unkompliziert eröffnen lässt. Dort kann man dann per Dauerauftrag regelmäßig einen sogenannten ETF besparen. Das Kürzel steht für Exchange Traded Fund, das heißt soviel wie börsengehandelter Indexfonds.
„ETF sind eine gute Möglichkeit, auch mit kleinem Geld eine weitgefächerte Kapitalanlage zu erhalten“, sagt Geiger. Denn die in der Regel einfachen und kostengünstigen Produkte bilden automatisch die Entwicklung eines ganzen Index ab, etwa des Deutschen Aktien-Index Dax. Dessen Entwicklung nimmt der Anleger dann eins zu eins mit, nach oben wie nach unten. Die Ängste vor solch einem Investment, hierzulande vor allem geschürt durch die Börsencrashs von 2000 und 2008, sind allerdings unbegründet: Über Zeiträume von zehn Jahren und mehr hinweg betrachtet liegen die großen Indizes praktisch immer im Plus.
Mit einem solchen ersten Schritt zu mehr Selbstverantwortung sinkt auch die Notwendigkeit, im Alter auf die Vorsorge des Partners angewiesen zu sein. Auch mit Blick darauf gibt es in Deutschland ein weit verbreitetes Vogel-Strauß-Denken: So stimmt in der Postbank-Umfrage immerhin jeder fünfte Befragte der Aussage zu „Was die Altersvorsorge angeht, verlasse ich mich auf die Vorsorgeleistungen meines Partners“. Erneut liegt der Wert im Osten mit 27,6 Prozent deutlich höher als im Westen – und die Zustimmung bei Männern ebenso wie bei Frauen auf einem ähnlich hohen Niveau. „Auch bei dieser Frage zeigt sich: Je höher der Bildungsabschluss bzw. das Haushaltsnettoeinkommen, desto eher übernimmt man selbst die Verantwortung für seine Belange“, sagt Iris Laduch-Reichelt von der Postbank.
Wird gestritten – oder totgeschwiegen?
Immerhin: Die Studie zeigt durchaus auch ermutigende Ansätze. So scheint das Thema Geld zumindest innerhalb der Partnerschaft kein Tabu zu sein. Neun von zehn Befragten stimmen der Aussage zu „Ich weiß, wie viel Geld mein Partner monatlich zur Verfügung hat“. Am wenigsten lässt sich das offenbar in der Hauptstadt verheimlichen: Hier liegt der Wert bei 98,7 Prozent. Am wenigsten weit her ist es mit der Transparenz in Baden-Württemberg, wo nur 82,9 Prozent über die Finanzen des Partners Bescheid wissen.
Dass um Geld innerhalb der Partnerschaft besonders stark gestritten würde, geben die Daten der Studie indes nicht her. 95 Prozent verneinten eine solche Aussage. „Das deckt sich mit früheren Erhebungen“, heißt es bei der Postbank, „die Deutschen streiten weniger über Geld, als man gemeinhin annimmt.“ Aus der Praxis kommt dazu allerdings ein dickes Fragezeichen: Der Paartherapeut erlebt in seiner Sprechstunde das genaue Gegenteil.
„Meiner Schätzung nach haben fast 90 Prozent aller Partnerschaften Probleme mit dem Geld“, sagt Klaus Heer, der auch eine Erklärung für die Diskrepanz anbietet: „Viele empfinden es gar nicht mehr als Streit, also als ein Austragen von Meinungsverschiedenheiten, sondern es hat sich oft ins Runterschweigen und Verheimlichen, in den Kalten Krieg, ins Schummeln und Lügen verlagert. Das ist alles nicht viel gemütlicher als Streit.“ Und ein Alarmsignal für die Beziehung.
Doch damit nicht genug: Ein Großteil der Deutschen gibt die Verantwortung für die eigenen Geldgeschäfte – und damit auch die private Altersvorsorge – gleich ganz an den Partner ab. Das ist das Ergebnis einer Postbank-Studie zum Thema Beziehung und Finanzen, die der „Welt“ exklusiv vorliegt. Demnach kümmert sich fast jeder dritte Befragte (30,4 Prozent) nicht selbst darum, was aus seinem sauer verdienten Geld wird.
Doch das kann nach hinten losgehen. „Wer sich blind darauf verlässt, dass sein Partner die Ersparnisse sinnvoll verwaltet, gibt einen riskanten Vertrauensvorschuss“, warnt Iris Laduch-Reichelt von der Postbank. Interessant: Das Problem ist regional unterschiedlich stark ausgeprägt. Während der Wert im Westen bei 28,9 Prozent liegt, delegieren im Osten 37 Prozent der Befragten ihre Finanzen an den Partner.
Auffällig ist auch der Einfluss von Bildung und Haushaltseinkommen: Je höher diese Faktoren, umso eher kümmern sich die Befragten selbst um ihr Geld. „Kenntnisse über Finanzen müssen bereits im Elternhaus und in der Schule vermittelt werden“, fordert daher Laduch-Reichelt, „und zwar nicht abstrakt, sondern praxisnah, interessant und alltagstauglich.“
Man muss nicht viel über Geld wissen
Die Verantwortung für die eigenen Finanzen zu übernehmen, ist aber auch unter psychosozialen Aspekten wichtig. „Es ist grundsätzlich keine gute Idee, sich von einem Menschen abhängig zu machen“, sagt Klaus Heer, Paartherapeut aus Bern. „Man sollte nicht Bequemlichkeit mit Vertrauen verwechseln.“
Jede Aufgabenteilung berge die Gefahr, ein Stück Lebensuntüchtigkeit der Partner zu vertuschen. Besonders krass komme das ans Licht, wenn die Beziehung zerbreche. Doch man kann dieser Entwicklung vorbeugen. „Wichtig ist, das ganze Zusammenleben ständig im Blick zu haben“, sagt Heer. Bin ich noch eigenständig? Wie viel Souveränität habe ich unbemerkt bereits eingebüßt? Habe ich noch die Kraft, den Zerfall der Selbstbestimmung aufzuhalten?
Ein erster Schritt zu mehr Selbstständigkeit ist gar nicht so schwer, auch dann nicht, wenn man vom Thema Geldanlage keine Ahnung hat. „Wer vielleicht auch nur 50 Euro monatlich zur Verfügung hat, kann damit per Sparplan schon eine sinnvolle Basis legen“, sagt Karl-Heinz Geiger, Vorstand der SVA Vermögensverwaltung Stuttgart.
Voraussetzung ist ein Depot bei einem kostengünstigen Onlinebroker, das sich schnell und unkompliziert eröffnen lässt. Dort kann man dann per Dauerauftrag regelmäßig einen sogenannten ETF besparen. Das Kürzel steht für Exchange Traded Fund, das heißt soviel wie börsengehandelter Indexfonds.
„ETF sind eine gute Möglichkeit, auch mit kleinem Geld eine weitgefächerte Kapitalanlage zu erhalten“, sagt Geiger. Denn die in der Regel einfachen und kostengünstigen Produkte bilden automatisch die Entwicklung eines ganzen Index ab, etwa des Deutschen Aktien-Index Dax. Dessen Entwicklung nimmt der Anleger dann eins zu eins mit, nach oben wie nach unten. Die Ängste vor solch einem Investment, hierzulande vor allem geschürt durch die Börsencrashs von 2000 und 2008, sind allerdings unbegründet: Über Zeiträume von zehn Jahren und mehr hinweg betrachtet liegen die großen Indizes praktisch immer im Plus.
Mit einem solchen ersten Schritt zu mehr Selbstverantwortung sinkt auch die Notwendigkeit, im Alter auf die Vorsorge des Partners angewiesen zu sein. Auch mit Blick darauf gibt es in Deutschland ein weit verbreitetes Vogel-Strauß-Denken: So stimmt in der Postbank-Umfrage immerhin jeder fünfte Befragte der Aussage zu „Was die Altersvorsorge angeht, verlasse ich mich auf die Vorsorgeleistungen meines Partners“. Erneut liegt der Wert im Osten mit 27,6 Prozent deutlich höher als im Westen – und die Zustimmung bei Männern ebenso wie bei Frauen auf einem ähnlich hohen Niveau. „Auch bei dieser Frage zeigt sich: Je höher der Bildungsabschluss bzw. das Haushaltsnettoeinkommen, desto eher übernimmt man selbst die Verantwortung für seine Belange“, sagt Iris Laduch-Reichelt von der Postbank.
Wird gestritten – oder totgeschwiegen?
Immerhin: Die Studie zeigt durchaus auch ermutigende Ansätze. So scheint das Thema Geld zumindest innerhalb der Partnerschaft kein Tabu zu sein. Neun von zehn Befragten stimmen der Aussage zu „Ich weiß, wie viel Geld mein Partner monatlich zur Verfügung hat“. Am wenigsten lässt sich das offenbar in der Hauptstadt verheimlichen: Hier liegt der Wert bei 98,7 Prozent. Am wenigsten weit her ist es mit der Transparenz in Baden-Württemberg, wo nur 82,9 Prozent über die Finanzen des Partners Bescheid wissen.
Dass um Geld innerhalb der Partnerschaft besonders stark gestritten würde, geben die Daten der Studie indes nicht her. 95 Prozent verneinten eine solche Aussage. „Das deckt sich mit früheren Erhebungen“, heißt es bei der Postbank, „die Deutschen streiten weniger über Geld, als man gemeinhin annimmt.“ Aus der Praxis kommt dazu allerdings ein dickes Fragezeichen: Der Paartherapeut erlebt in seiner Sprechstunde das genaue Gegenteil.
„Meiner Schätzung nach haben fast 90 Prozent aller Partnerschaften Probleme mit dem Geld“, sagt Klaus Heer, der auch eine Erklärung für die Diskrepanz anbietet: „Viele empfinden es gar nicht mehr als Streit, also als ein Austragen von Meinungsverschiedenheiten, sondern es hat sich oft ins Runterschweigen und Verheimlichen, in den Kalten Krieg, ins Schummeln und Lügen verlagert. Das ist alles nicht viel gemütlicher als Streit.“ Und ein Alarmsignal für die Beziehung.
© Dr. Klaus Heer: Psychologe – Paartherapeut – Autor