Berner Zeitung vom 9. November 2017
«Die Gefühlsstürme der Liebe»
Klaus Heer ist überzeugt, dass Rituale über Trennungen hinweghelfen. Für den Paartherapeuten kann die kirchliche Segensfeier diese Rolle spielen. Aber auch die Scheidung vor dem Richter.
Sich zu trennen, sei «immer strub und steinig», sagt Klaus Heer. Entschieden tritt der Paartherapeut aus dem Liebefeld der Meinung entgegen, Bindungen würden heute viel unverbindlicher eingegangen als früher und damit auch viel leichter wieder gelöst. Mit farbigen Worten beschreibt er «den Gefühlssturm» der ersten Verliebtheit, der später die Basis für eine stabile Bindung bildet. Wenn die Beziehung dann zu Ende gehe, stürze nicht weniger als gleich «die ganze Welt» zusammen. Das soziale Umfeld breche auseinander, die Betroffenen selber erlebten «einen Tsunami der Gefühle». Klaus Heer spricht von Schmerz und Verzweiflung, aber auch vom Selbstwertgefühl, das ins Wanken gerät. Eine grosse Wunde breche auf, und die müsse gepflegt werden. Am besten passiere das im Gespräch mit einem nahestehenden Menschen. Sich einfach abzulenken, führe dagegen nicht zum Ziel. Zu gross sei das Risiko, dass die Wunde weiter eitere oder wieder aufbreche. Helfen könnten in dieser Situation auch heilende Rituale wie die kirchliche Segensfeier. «So, wie die Kirche den Start der Liebe begleitet, ist sie auch da, wenn die Geschichte zu Ende geht.» Positiv sieht Klaus Heer in diesem Zusammenhang sogar die Scheidung vor dem Richter. Sie zwinge dazu, nicht nur praktische Dinge wie Unterhaltszahlungen oder das Sorgerecht für die Kinder zu regeln, sondern auch «emotional aufzuräumen». So gesehen sieht er Konkubinatspaare, die auf diesen rituellen Prozess verzichten müssen, im Nachteil: «Sie sind ihrem Gefühlschaos allein überlassen.»
© Dr. Klaus Heer: Psychologe – Paartherapeut – Autor