zentralplus vom 14. Februar 2018
«Oh Weh! Valentinstag fällt auf den Aschermittwoch»
So mancher Luzerner erwacht verkatert am Aschermittwoch. Und nun auch noch das: Valentinstag! Entspannt euch, rät der bekannte Paartherapeut Klaus Heer. Er hält weder etwas von floristischen Liebesbeweisen noch von zu vielen Gesprächen. Denn: Ewige Liebe sei Fake News.
INTERVIEW: JONAS WYDLER
INTERVIEW: JONAS WYDLER
zentralplus: Dieses Jahr fällt der Valentinstag auf den Aschermittwoch. Für viele Luzerner Fasnächtler ist der Zeitdruck für Verlegenheitsgeschenke noch grösser.
Heer: Man kann sich den Stress sparen. Es ist viel besser, wenn man sich mit seiner Liebsten vor dem Valentinstag einigt, dass man den Quatsch diesmal lässt. Anstatt auf blödsinnige Zwänge, konzentriert man seine Energie lieber auf die Liebe, die man sich das ganze Jahr schenkt. Also am 14. Februar lieber friedlich aufwachen, sich an den anderen schmiegen und miteinander einen guten Tag verbringen. Ohne termingebundenen Stress und unbedarfte Zwangsideen.
zentralplus: Aber im Prinzip spricht nichts gegen einen Blumenstrauss?
Heer: Es hat sich eingefressen, dass man an diesem Tag seine Liebe in floristischer Art ausdrücken muss. Geburtstag, Weihnachten und Valentinstag sind für Liebesdinge die drei närrischsten Tage. Das ist ein Ballast, den man mühelos abschütteln kann. Am besten vor dem Valentinstag, dann kann man seinen Kater ungestört ausschlafen.
zentralplus: Der Aschermittwoch ist der Beginn der Fastenzeit, an dem Gläubige der Vergänglichkeit irdischen Lebens gedenken. Nun fällt er auf den Tag der Liebe.
Heer: Ja, es gibt nicht nur die Illusion der schönen und blühenden Liebe. Die Liebe ist ein Organismus und damit genauso sterblich wie alle Lebewesen. Das erfolgreiche Musical «Ewigi Liebi» ist Fake News. Ewige Liebe ist eine Erfindung von zweierlei Leuten: von Verliebten und von profitorientierten Firmen. Auch die Kirche sieht die Ehe gerne als unauflöslich. Wie blind muss man eigentlich sein, um solches zu behaupten?
zentralplus: Wieso lassen wir frisch Verliebten nicht einen Tag die Illusion?
Heer: Dass Liebe ewig bleibt, ist ja noch eine der angenehmeren Geistesstörungen, die man sich einfangen kann. Es gibt viel misslichere psychiatrische Phänomene. Aber trotzdem: Verliebtheit ist eine psychiatrische Attacke, und man muss froh sein, wenn sie vorbei ist. Denn oft ist man sich nicht bewusst, wie mühsam man auf den Zehenspitzen stehen muss, um das aufrecht zu erhalten. Das kann niemand ewig. Im globalen Durchschnitt hält die Verliebtheit 90 Tage.
zentralplus: Sie sagten einmal «Jede Liebe hat die gleichen Startchancen». Das ist ein sehr versöhnlicher Gedanke.
Heer: Die Erkenntnis ist nicht nur versöhnlich, sondern auch emanzipatorisch wichtig. Die Liebe ist nicht abhängig von der Art und Weise, wie sie entstanden ist oder vom Algorithmus einer Online-Partnerbörse. Das ist alles nebensächlich und unbedeutend, verglichen mit dem, was ich daraus mache.
zentralplus: Sie halten am Valentinstag in Luzern eine Tischrede: Was geben Sie den Anwesenden mit auf den Weg?
Heer: Ich befasse mich gern mit Fake News rund um die Liebe und versalze den Leuten genüsslich die Suppe. Es gibt etwa das Sprichwort «Alte Liebe rostet nicht». Doch auch Liebe oxidiert, wenn sie in Kontakt kommt mit Romantik und Illusionen. Liebe rostet langsam, man merkt es erst allmählich. Und ab und zu gibt es einen Knall, Feuer und viel Asche. Das ist der Fall, wenn einer fremdgeht zum Beispiel.
zentralplus: Das erzählen Sie den Leuten während des Essens?
Heer: Ja, und es gibt diese schönen Sprüche mit «Liebe ist …» Etwa: «Ich zähle die Stunden, bis du wieder da bist». Diese schwachen Weisheiten sind herzig, aber sie stimmen nicht. Ebenso diese Tumbheiten in der Parship-Werbung: «Liebe ist, wenn es stimmt» oder «Alle elf Minuten verliebt sich jemand auf Parship». Die versprechen das blaue Wunder mit ihren Algorithmen und behaupten: Liebe ist, wenn der andere meinen Erwartungen entspricht. Das führt dazu, dass man seine Erwartungen heraufschraubt, bis es knallt und man abstürzt.
Heer: Man kann sich den Stress sparen. Es ist viel besser, wenn man sich mit seiner Liebsten vor dem Valentinstag einigt, dass man den Quatsch diesmal lässt. Anstatt auf blödsinnige Zwänge, konzentriert man seine Energie lieber auf die Liebe, die man sich das ganze Jahr schenkt. Also am 14. Februar lieber friedlich aufwachen, sich an den anderen schmiegen und miteinander einen guten Tag verbringen. Ohne termingebundenen Stress und unbedarfte Zwangsideen.
zentralplus: Aber im Prinzip spricht nichts gegen einen Blumenstrauss?
Heer: Es hat sich eingefressen, dass man an diesem Tag seine Liebe in floristischer Art ausdrücken muss. Geburtstag, Weihnachten und Valentinstag sind für Liebesdinge die drei närrischsten Tage. Das ist ein Ballast, den man mühelos abschütteln kann. Am besten vor dem Valentinstag, dann kann man seinen Kater ungestört ausschlafen.
zentralplus: Der Aschermittwoch ist der Beginn der Fastenzeit, an dem Gläubige der Vergänglichkeit irdischen Lebens gedenken. Nun fällt er auf den Tag der Liebe.
Heer: Ja, es gibt nicht nur die Illusion der schönen und blühenden Liebe. Die Liebe ist ein Organismus und damit genauso sterblich wie alle Lebewesen. Das erfolgreiche Musical «Ewigi Liebi» ist Fake News. Ewige Liebe ist eine Erfindung von zweierlei Leuten: von Verliebten und von profitorientierten Firmen. Auch die Kirche sieht die Ehe gerne als unauflöslich. Wie blind muss man eigentlich sein, um solches zu behaupten?
zentralplus: Wieso lassen wir frisch Verliebten nicht einen Tag die Illusion?
Heer: Dass Liebe ewig bleibt, ist ja noch eine der angenehmeren Geistesstörungen, die man sich einfangen kann. Es gibt viel misslichere psychiatrische Phänomene. Aber trotzdem: Verliebtheit ist eine psychiatrische Attacke, und man muss froh sein, wenn sie vorbei ist. Denn oft ist man sich nicht bewusst, wie mühsam man auf den Zehenspitzen stehen muss, um das aufrecht zu erhalten. Das kann niemand ewig. Im globalen Durchschnitt hält die Verliebtheit 90 Tage.
zentralplus: Sie sagten einmal «Jede Liebe hat die gleichen Startchancen». Das ist ein sehr versöhnlicher Gedanke.
Heer: Die Erkenntnis ist nicht nur versöhnlich, sondern auch emanzipatorisch wichtig. Die Liebe ist nicht abhängig von der Art und Weise, wie sie entstanden ist oder vom Algorithmus einer Online-Partnerbörse. Das ist alles nebensächlich und unbedeutend, verglichen mit dem, was ich daraus mache.
zentralplus: Sie halten am Valentinstag in Luzern eine Tischrede: Was geben Sie den Anwesenden mit auf den Weg?
Heer: Ich befasse mich gern mit Fake News rund um die Liebe und versalze den Leuten genüsslich die Suppe. Es gibt etwa das Sprichwort «Alte Liebe rostet nicht». Doch auch Liebe oxidiert, wenn sie in Kontakt kommt mit Romantik und Illusionen. Liebe rostet langsam, man merkt es erst allmählich. Und ab und zu gibt es einen Knall, Feuer und viel Asche. Das ist der Fall, wenn einer fremdgeht zum Beispiel.
zentralplus: Das erzählen Sie den Leuten während des Essens?
Heer: Ja, und es gibt diese schönen Sprüche mit «Liebe ist …» Etwa: «Ich zähle die Stunden, bis du wieder da bist». Diese schwachen Weisheiten sind herzig, aber sie stimmen nicht. Ebenso diese Tumbheiten in der Parship-Werbung: «Liebe ist, wenn es stimmt» oder «Alle elf Minuten verliebt sich jemand auf Parship». Die versprechen das blaue Wunder mit ihren Algorithmen und behaupten: Liebe ist, wenn der andere meinen Erwartungen entspricht. Das führt dazu, dass man seine Erwartungen heraufschraubt, bis es knallt und man abstürzt.
Ganz ähnlich der Zürcher Schriftsteller Thomas Meyer. In seinem Buch «Trennt euch!» behauptet er keck, vier Fünftel der Paare seien inkompatibel. Somit sei alles für die Katz und chancenlos. Liebe ist, wenn's passt, heisst es da, sonst soll man postwendend verschwinden.
zentralplus: Dem widersprechen Sie als Paartherapeut natürlich.
Heer: Es gibt durchaus passendere Alternativen. Man könnte mit Scheidungsgründen leben lernen statt stracks die Flinte ins Korn zu werfen. Sonst schickt man einen Partner nach dem anderen in die Wüste, und man selbst bleibt immer derselbe lernunwillige Beziehungspinsel.
zentralplus: Was ist denn für Sie Liebe?
Heer: Mich entzückt im Moment der saloppe Satz von Hazel Brugger: «Liebe ist, einander beim Zerfallsprozess zuzuschauen». Das passt doch ebensogut zum Valentinstag wie zum Aschermittwoch. Unser Zerfall geht ja nicht erst im Pflegeheim los. Er ist schon längst im Gang. Er legt uns nahe, dass wir mit immer weniger romantischem Ballast durchs Leben gehen.
zentralplus: Was raten Sie Paaren am häufigsten?
Heer: Es gibt so unsägliche Ratschläge, wie: Redet miteinander und entwickelt eine Streitkultur! Aber entweder hat man Streit oder Kultur, man muss sich entscheiden. Streit ist eine Unkultur. Als wir noch auf den Bäumen hausten, haben wir einander mit dicken Ästen auf den Grind gegeben. Es gab eben noch kein Wort für Kultur.
Besser wäre, an seinen Erwartungen zu schrauben. Man bekommt in der Beziehung dauernd Rückmeldungen, was man für ein mühsamer Cheib ist. Das sind keine Vorwürfe, sondern ich muss das zur Kenntnis nehmen.
zentralplus: Zurück zum Valentinstag: Was soll man tun? Sich Zeit füreinander nehmen?
Heer: Man kann gemeinsam auf die Malediven oder die Klewenalp verreisen, das ist konventionell, nützt aber nicht viel. Man nimmt alles mit, hat dann Krach oder langweilt sich. Man müsste eher weniger Zeit aufwenden für utopische Erwartungen.
«Gespräch» ist auch so ein schauriges Wort, man redet und redet, bis das Gespräch selber zum Problem wird. Peter Bichsel hat das schön gesagt: Er habe niemals mit seiner Frau über Beziehungsprobleme geredet. Vielmehr hätten sie sich andauernd erzählt, was sie jeden Tag erlebten – fertig. Er war fast 50 Jahre glücklich verheiratet und ganz unglücklich, als seine Frau starb. Das heisst doch, es kann ein quälender Zwang sein, zu meinen, man müsse die Beziehungsprobleme partout lösen. Manche Probleme lassen sich nicht lösen, man muss sie gemeinsam tragen.
zentralplus: Sie zitieren in einem Text Alain de Bottons «Der Lauf der Liebe»: Beziehungsfähig sei nur ein Mensch, der im Stande sei, das Eheleben als den Frust hinzunehmen, der es sei. Das ist nicht gerade romantisch …
Heer: (lacht) Nein, aber Paare in ihren vier Wänden sind manchmal wirklich einem unsäglichen Frust ausgesetzt. Es nervt, es nagt, es enttäuscht und es ist langweilig. Wenn man nicht imstande und willens ist, das zu ertragen, dann wäre es besser, wieder Single zu werden. Single ist auch ein charmanter Zivilstand, finde ich.
zentralplus: Entwickelt man als Paartherapeut zwangsläufig einen so rationalen Blick auf die Liebe?
Heer: Nicht unbedingt, aber mich haben die langen Berufsjahrzehnte regelrecht ausgenüchtert. Nüchternheit ist ein guter Zustand, vor allem am Morgen nach der Fasnacht. Sie sorgt für einen erfrischend realistischen Blick auf die Liebe. Und auf mich selbst.
zentralplus: Dem widersprechen Sie als Paartherapeut natürlich.
Heer: Es gibt durchaus passendere Alternativen. Man könnte mit Scheidungsgründen leben lernen statt stracks die Flinte ins Korn zu werfen. Sonst schickt man einen Partner nach dem anderen in die Wüste, und man selbst bleibt immer derselbe lernunwillige Beziehungspinsel.
zentralplus: Was ist denn für Sie Liebe?
Heer: Mich entzückt im Moment der saloppe Satz von Hazel Brugger: «Liebe ist, einander beim Zerfallsprozess zuzuschauen». Das passt doch ebensogut zum Valentinstag wie zum Aschermittwoch. Unser Zerfall geht ja nicht erst im Pflegeheim los. Er ist schon längst im Gang. Er legt uns nahe, dass wir mit immer weniger romantischem Ballast durchs Leben gehen.
zentralplus: Was raten Sie Paaren am häufigsten?
Heer: Es gibt so unsägliche Ratschläge, wie: Redet miteinander und entwickelt eine Streitkultur! Aber entweder hat man Streit oder Kultur, man muss sich entscheiden. Streit ist eine Unkultur. Als wir noch auf den Bäumen hausten, haben wir einander mit dicken Ästen auf den Grind gegeben. Es gab eben noch kein Wort für Kultur.
Besser wäre, an seinen Erwartungen zu schrauben. Man bekommt in der Beziehung dauernd Rückmeldungen, was man für ein mühsamer Cheib ist. Das sind keine Vorwürfe, sondern ich muss das zur Kenntnis nehmen.
zentralplus: Zurück zum Valentinstag: Was soll man tun? Sich Zeit füreinander nehmen?
Heer: Man kann gemeinsam auf die Malediven oder die Klewenalp verreisen, das ist konventionell, nützt aber nicht viel. Man nimmt alles mit, hat dann Krach oder langweilt sich. Man müsste eher weniger Zeit aufwenden für utopische Erwartungen.
«Gespräch» ist auch so ein schauriges Wort, man redet und redet, bis das Gespräch selber zum Problem wird. Peter Bichsel hat das schön gesagt: Er habe niemals mit seiner Frau über Beziehungsprobleme geredet. Vielmehr hätten sie sich andauernd erzählt, was sie jeden Tag erlebten – fertig. Er war fast 50 Jahre glücklich verheiratet und ganz unglücklich, als seine Frau starb. Das heisst doch, es kann ein quälender Zwang sein, zu meinen, man müsse die Beziehungsprobleme partout lösen. Manche Probleme lassen sich nicht lösen, man muss sie gemeinsam tragen.
zentralplus: Sie zitieren in einem Text Alain de Bottons «Der Lauf der Liebe»: Beziehungsfähig sei nur ein Mensch, der im Stande sei, das Eheleben als den Frust hinzunehmen, der es sei. Das ist nicht gerade romantisch …
Heer: (lacht) Nein, aber Paare in ihren vier Wänden sind manchmal wirklich einem unsäglichen Frust ausgesetzt. Es nervt, es nagt, es enttäuscht und es ist langweilig. Wenn man nicht imstande und willens ist, das zu ertragen, dann wäre es besser, wieder Single zu werden. Single ist auch ein charmanter Zivilstand, finde ich.
zentralplus: Entwickelt man als Paartherapeut zwangsläufig einen so rationalen Blick auf die Liebe?
Heer: Nicht unbedingt, aber mich haben die langen Berufsjahrzehnte regelrecht ausgenüchtert. Nüchternheit ist ein guter Zustand, vor allem am Morgen nach der Fasnacht. Sie sorgt für einen erfrischend realistischen Blick auf die Liebe. Und auf mich selbst.
© Dr. Klaus Heer: Psychologe – Paartherapeut – Autor