watson vom 4. September 2018
«Warum du deinen Partner online kennenlernen solltest»
Jede dritte Beziehung beginnt heute im Netz. Nun zeigt eine neue Studie, dass Online-Paare auch glücklicher sind – weil die Anschauungen ähnlich sind. Aber halten diese Beziehungen deswegen auch länger?
VON RAHEL KOERFGEN
VON RAHEL KOERFGEN
An einem strahlenden Septembertag begegnete er ihr zum ersten Mal. Nicht an der Bushaltestelle, nicht am Tresen einer Bar. Sondern zu Hause auf dem Sofa. Alice*, 35, wischte sich auf dem Handy zum x-ten Mal durch die Dating-App Tinder, durch Fotos von Männern zwischen 30 und 45 Jahren. Wischte meistens nach links, «nein, gefällt mir nicht». Und dann kam Stefan*, 41. «Er entsprach optisch nicht meinem Typ. Aber er hatte etwas Sympathisches, sehr Liebes an sich, das ging direkt ins Herz», sagt Alice. Und so wischte sie nach rechts, «ja, mit dem will ich ein bisschen chatten».
Das war vor zwei Jahren. Aus dem Chat wurde nach einer Woche wildem Hin- und Hertippen ein Date am Bahnhofbuffet Olten. Daraus ein weiteres, und noch eines. Und irgendwann Liebe. Vor drei Monaten haben Alice und Stefan ein Haus in der Agglo Basel gekauft. Und vor wenigen Wochen hielt er auf Mauritius um ihre Hand an. Sie hat «Ja» gesagt.
Alice und Stefan sind längst keine Paradiesvögel mehr. Seit 2010 löst das Internet den Arbeitsplatz, die Kirche, das Restaurant, das Klassenzimmer ab, jene Orte, die früher Schauplatz wurden des ersten Aufeinandertreffens eines Liebespaars. Unaufhaltsam. «Da findet eine riesige Verlagerung statt, wie man heute seinen Partner kennen lernt», wird Star-Soziologe Reuben Thomas in «The Economist» zitiert. Laut dem britischen Magazin beginnen 70 Prozent aller gleichgeschlechtlichen Beziehungen in den USA online, bei heterosexuellen Paaren sind es 30 Prozent.
Die Schweiz hinkt nicht hinterher: Auch hier haben sich ein Drittel aller Paare, die seit 2002 zusammengekommen sind, online erstmals «getroffen»; der Partnervermittler Parship gibt 28 Prozent an. Und in wenigen Jahren werden es nochmals deutlich mehr sein. Online-Dating-Expertin Celia Schweyer sagt, dass sich aktuell eine Viertelmillion Schweizer auf der Tinder tummelt. Und Parship zählt sogar rund 500'000 Mitglieder.
Ähnliche Anschauungen
Parship hat nun ausgewertet, wie sich online und offline entstandene Beziehungen entwickeln und unterscheiden. Für die Studie wurden 777 Frauen und Männer befragt; 521 davon hatten sich «offline» kennen gelernt, die restlichen 206 online. Ergebnis: 70 Prozent der Online-Paare sind mit ihrer Beziehung sehr zufrieden, bei den Offline-Paaren sind es lediglich 58 Prozent. Ausserdem haben Online-Paare eine höhere Übereinstimmung in Grundwerten wie Familie und Ehe, aber auch in Fragen des Alltags wie Umgang mit Geld oder Glauben und Religion. Dieses Ergebnis deckt sich mit jenem einer Studie der Universitäten Harvard und Chicago aus dem Jahr 2013, wonach «Online-Partnerschaften länger halten, weil sie ein höheres Level an Zufriedenheit aufweisen». Stella Zeco, Sprecherin von Parship, sagt dazu: «Während man offline eher in eine Beziehung ‹hineinschlittert› und gewillt ist, anfangs ein Auge zuzudrücken, wenn einem etwas am Partner nicht passt, suchen Leute online nach Menschen mit ähnlichen Anschauungen und Werten.»
Das war vor zwei Jahren. Aus dem Chat wurde nach einer Woche wildem Hin- und Hertippen ein Date am Bahnhofbuffet Olten. Daraus ein weiteres, und noch eines. Und irgendwann Liebe. Vor drei Monaten haben Alice und Stefan ein Haus in der Agglo Basel gekauft. Und vor wenigen Wochen hielt er auf Mauritius um ihre Hand an. Sie hat «Ja» gesagt.
Alice und Stefan sind längst keine Paradiesvögel mehr. Seit 2010 löst das Internet den Arbeitsplatz, die Kirche, das Restaurant, das Klassenzimmer ab, jene Orte, die früher Schauplatz wurden des ersten Aufeinandertreffens eines Liebespaars. Unaufhaltsam. «Da findet eine riesige Verlagerung statt, wie man heute seinen Partner kennen lernt», wird Star-Soziologe Reuben Thomas in «The Economist» zitiert. Laut dem britischen Magazin beginnen 70 Prozent aller gleichgeschlechtlichen Beziehungen in den USA online, bei heterosexuellen Paaren sind es 30 Prozent.
Die Schweiz hinkt nicht hinterher: Auch hier haben sich ein Drittel aller Paare, die seit 2002 zusammengekommen sind, online erstmals «getroffen»; der Partnervermittler Parship gibt 28 Prozent an. Und in wenigen Jahren werden es nochmals deutlich mehr sein. Online-Dating-Expertin Celia Schweyer sagt, dass sich aktuell eine Viertelmillion Schweizer auf der Tinder tummelt. Und Parship zählt sogar rund 500'000 Mitglieder.
Ähnliche Anschauungen
Parship hat nun ausgewertet, wie sich online und offline entstandene Beziehungen entwickeln und unterscheiden. Für die Studie wurden 777 Frauen und Männer befragt; 521 davon hatten sich «offline» kennen gelernt, die restlichen 206 online. Ergebnis: 70 Prozent der Online-Paare sind mit ihrer Beziehung sehr zufrieden, bei den Offline-Paaren sind es lediglich 58 Prozent. Ausserdem haben Online-Paare eine höhere Übereinstimmung in Grundwerten wie Familie und Ehe, aber auch in Fragen des Alltags wie Umgang mit Geld oder Glauben und Religion. Dieses Ergebnis deckt sich mit jenem einer Studie der Universitäten Harvard und Chicago aus dem Jahr 2013, wonach «Online-Partnerschaften länger halten, weil sie ein höheres Level an Zufriedenheit aufweisen». Stella Zeco, Sprecherin von Parship, sagt dazu: «Während man offline eher in eine Beziehung ‹hineinschlittert› und gewillt ist, anfangs ein Auge zuzudrücken, wenn einem etwas am Partner nicht passt, suchen Leute online nach Menschen mit ähnlichen Anschauungen und Werten.»
Wenn Paare besser übereinstimmen, könnten sie auch konstruktiver streiten, ist Zeco überzeugt. Zudem seien Leute im Internet bewusster auf der Suche nach der Liebe, «deshalb ist auch das Commitment ein grösseres».
Den Aarauer Paartherapeuten Peter Michalik überraschen die Ergebnisse der Studie nicht. Er sagt: «Die Partnersuche über Onlineportale kann je nach Interessen eingegrenzt werden. Diese Tatsache erhöht die Wahrscheinlichkeit für eine langjährige Beziehung; im echten Leben ist das Übereinstimmen der Interessen eher dem Zufall überlassen.»
Verliebt in den Gegensatz
Im Netz hingegen kann man sich den perfekten Partner ausrechnen lassen. Online-Dating-Expertin Schweyer sagt: «Bei Partnervermittlungen wie Parship, deren Vermittlungsprinzip auf psychologischen Tests basiert, werden ganz gezielt die passendsten Singles zusammengebracht, mit einer Übereinstimmung von oftmals 97 Prozent.» Führt das Online-Dating dazu, dass sich Paare hinsichtlich Bildungsstand, Religion, sexuellen Vorlieben und Hobbys zusehends ähnlicher werden, wie es «The Economist» weiter schreibt? Paartherapeut Michalik hält dagegen: «Menschen verlieben sich immer wieder in Partner, die sie aufgrund eines Gegensatzes anziehen.» Er glaubt deshalb nicht, dass es aufgrund des Online-Datings dereinst nur noch Paare gibt, die sich auf allen Ebenen ähneln. «Zudem habe ich beobachtet, dass die Übereinstimmung online oftmals nur bei den Idealen stattfindet.» Im Alltag, so Michalik, sehe es dann nochmals anders aus.
Eine radikalere Sicht hat derweil Klaus Heer, einer der prominentesten Paartherapeuten der Schweiz. Er ist überzeugt davon, dass die Umstände, wie ein Paar zusammenfindet, bedeutungslos für den späteren Verlauf der Liebesgeschichte sind. Ausserdem seien es gerade die Unterschiede, die Partner füreinander spannend machen: «Wenn Gleichheit für Spannungslosigkeit sorgt, wächst die Langeweile. Und diese sorgt paradoxerweise auch für Spannung.» Er halte deshalb das Ergebnis der Parship-Studie, wonach Online-Paare mit hoher Übereinstimmung langfristig glücklicher sind als Offline-Paare, für eine «haltlose PR-Mär».
An Alices Ringfinger funkelt der Verlobungsring. Sie sagt, die vergangenen zwei Jahre seien nicht nur einfach gewesen. «Nein, Stefan ist nicht mein Traummann, weil wir in allen Bereichen dieselbe Haltung haben. Vielmehr, weil wir uns super ergänzen und er immer für mich da ist.» So einen hätte sie auch an der Bushaltestelle treffen können oder an der Bar. «Online ist einfach als neuer Ort dazugekommen, wo man Leute trifft. Dass alles so gut passt, das war einfach nur Glück.» (aargauerzeitung.ch)
*Name der Redaktion bekannt
Den Aarauer Paartherapeuten Peter Michalik überraschen die Ergebnisse der Studie nicht. Er sagt: «Die Partnersuche über Onlineportale kann je nach Interessen eingegrenzt werden. Diese Tatsache erhöht die Wahrscheinlichkeit für eine langjährige Beziehung; im echten Leben ist das Übereinstimmen der Interessen eher dem Zufall überlassen.»
Verliebt in den Gegensatz
Im Netz hingegen kann man sich den perfekten Partner ausrechnen lassen. Online-Dating-Expertin Schweyer sagt: «Bei Partnervermittlungen wie Parship, deren Vermittlungsprinzip auf psychologischen Tests basiert, werden ganz gezielt die passendsten Singles zusammengebracht, mit einer Übereinstimmung von oftmals 97 Prozent.» Führt das Online-Dating dazu, dass sich Paare hinsichtlich Bildungsstand, Religion, sexuellen Vorlieben und Hobbys zusehends ähnlicher werden, wie es «The Economist» weiter schreibt? Paartherapeut Michalik hält dagegen: «Menschen verlieben sich immer wieder in Partner, die sie aufgrund eines Gegensatzes anziehen.» Er glaubt deshalb nicht, dass es aufgrund des Online-Datings dereinst nur noch Paare gibt, die sich auf allen Ebenen ähneln. «Zudem habe ich beobachtet, dass die Übereinstimmung online oftmals nur bei den Idealen stattfindet.» Im Alltag, so Michalik, sehe es dann nochmals anders aus.
Eine radikalere Sicht hat derweil Klaus Heer, einer der prominentesten Paartherapeuten der Schweiz. Er ist überzeugt davon, dass die Umstände, wie ein Paar zusammenfindet, bedeutungslos für den späteren Verlauf der Liebesgeschichte sind. Ausserdem seien es gerade die Unterschiede, die Partner füreinander spannend machen: «Wenn Gleichheit für Spannungslosigkeit sorgt, wächst die Langeweile. Und diese sorgt paradoxerweise auch für Spannung.» Er halte deshalb das Ergebnis der Parship-Studie, wonach Online-Paare mit hoher Übereinstimmung langfristig glücklicher sind als Offline-Paare, für eine «haltlose PR-Mär».
An Alices Ringfinger funkelt der Verlobungsring. Sie sagt, die vergangenen zwei Jahre seien nicht nur einfach gewesen. «Nein, Stefan ist nicht mein Traummann, weil wir in allen Bereichen dieselbe Haltung haben. Vielmehr, weil wir uns super ergänzen und er immer für mich da ist.» So einen hätte sie auch an der Bushaltestelle treffen können oder an der Bar. «Online ist einfach als neuer Ort dazugekommen, wo man Leute trifft. Dass alles so gut passt, das war einfach nur Glück.» (aargauerzeitung.ch)
*Name der Redaktion bekannt
© Dr. Klaus Heer: Psychologe – Paartherapeut – Autor