Dr. Klaus Heer

Blick.ch vom 29. November 2018
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Scheidungsfolgen für Scheidungskinder

Die Eltern von Schlagerstar Beatrice Egli haben sich im Frühling scheiden lassen. Obwohl das Liebes-Aus gemäss Ida Egli «friedlich» ablief, dürfte die Trennung bei den Kindern Spuren hinterlassen haben, sagt Klaus Heer (75), Paartherapeut in Bern.

VON VANJA KADIC
BLICK: Herr Heer, was löst eine Scheidung der Eltern in Kindern aus?
Klaus Heer: Wenn Eltern auseinandergehen, kollabiert die Welt der Kinder. Das klingt dramatisch. Aber ich glaube, es ist realistischer und angemessener, die Folgen einer elterlichen Scheidung zu dramatisieren als sie zu verharmlosen. Denn der Zerfall der Einheit von Vater und Mutter trifft ein Urgefühl von kindlicher Geborgenheit im Kern. Schon ein Streit der Eltern kann diese Angst aufrühren.

Ist eine Scheidung für die Kinder einfacher, wenn sie erwachsen sind, wie die 30-jährige Beatrice Egli?
Erwachsenwerden heisst grundsätzlich, einige einschneidende Trennungserfahrungen machen. Der junge Mensch muss sich von vielem lösen, was in seiner Kindheit und Jugend unverrückbar sicher und stabil erschien. Vermutlich ist es immer tief erschütternd, wenn die Elternbeziehung zerbricht – unabhängig davon, wie alt man ist. Dass Vater und Mutter sich scheiden lassen, kann man sich doch genauso wenig vorstellen, wie dass sie früher Sex hatten miteinander. Ganz abgesehen davon, dass der Umgang mit geschiedenen Eltern vertrackt sein kann, zum Beispiel jetzt an Weihnachten.

Dürfte die Situation für Egli belastend sein, obwohl die Eltern sich friedlich trennten?
Es macht wohl keinen grossen Unterschied für die Kinder, ob ihre Eltern friedlich auseinandergehen oder im Streit: Bruch ist Bruch. Und Bruch schmerzt und erschüttert immer und anhaltend. Eine angeblich einvernehmliche Scheidung kann für ein Kind sogar speziell irritierend sein. Wie soll es verstehen, dass seine Eltern nicht zusammenbleiben, wenn sie doch sogar das gemeinsame Kunststück einer einträchtigen Scheidung schaffen?

Kommt es oft vor, dass geschiedene Leute noch Familienzeit verbringen und gar gemeinsam in die Ferien fahren?
Soviel ich weiss, gibt es das eher selten. Aus zwei Gründen: Erstens weil das Paar sich ja das Scheitern seiner Liebe eingestanden und die Konsequenzen gezogen hat. Und zweitens haben sich die Geschiedenen meistens mit neuen Partnern verbunden. Damit ist die emotionale Lage vollends zu unübersichtlich geworden, um vergnügt Familie zu feiern.
© Dr. Klaus Heer: Psychologe – Paartherapeut – Autor