Dr. Klaus Heer

Schweizer Illustrierte vom 3. Oktober 2019
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«Paare müssen ihre Liebe radikal umbauen»

Kylie Jenner und Travis Scott sollen sich getrennt haben. Nur ein Jahr nachdem Töchterchen Stormi ihre stürmische Liebe gekrönt hat. Während über die Gründe spekuliert wird, verrät Paartherapeut Klaus Heer, was Eltern tun können, damit es auch nach der Geburt des Kindes mit der Liebe klappt.

VON EDITA DIZDAR
Die Gerüchteküche brodelt: Kylie Jenner, 22, und Travis Scott, 28, sollen sich getrennt haben. Zwei Jahre nach dem ersten öffentlichen Auftritt und ein Jahr nach der Geburt der gemeinsamen Tochter Stormi, 1, soll nun ihre Liebe am Ende sein. Dies berichtet das Promiportal «tmz».

Ende August schien die Welt noch in Ordnung. Die Selfmade-Milliardärin und der Rapper zeigten sich samt Nachwuchs glücklich bei der Premiere von «Look Mom I Can Fly», einem Netflix-Dokumentarfilm über Scotts Leben, in Los Angeles. Kurz zuvor posierten die beiden noch für den Playboy und konnten die Hände kaum voneinander lassen. Damit soll nun Schluss sein. Die Medien sind sich uneins, ob die Trennung nur vorübergehend ist, oder gar endgültig. Auch über mögliche Gründe wird spekuliert, sie reichen von Entlieben über Streitereien bis hin zu Vertrauensbruch. Die beiden Hauptfiguren haben die Gerüchte bisher weder dementiert noch bestätigt. Doch sollten sie stimmen, ist es ein weiteres Beispiel für Eltern, die sich kurz nach der Geburt eines Kindes trennen.

Die Realität überrumpelt frischgebackene Eltern

Warum eigentlich? Welches sind die Gründe, dass nach der Geburt des Kindes oft der Schlussstrich gezogen wird? Wer selbst Kinder hat, weiss: Elternsein stellt gerne das ganze Leben auf den Kopf. Vor allem die Anfangszeit ist hart, Schlafentzug ist nicht umsonst eine Foltermethode. «Man weiss, dass die Ankunft von Kindern stressig ist. Extrem stressig. Aber man glaubt im Stillen, das betreffe nur die anderen. Dann ist man voll überrumpelt von der unerbittlichen neuen Realität», sagt Psychologe, Paartherapeut und Autor Klaus Heer.

40 Wochen lang konzentrieren sich die werdenden Eltern auf das Ungeborene. Zimmer einrichten, Kinderwagen kaufen, Nest bauen. Und wenn das Kind dann mal da ist bleibt erst recht wenig Zeit für Zweisamkeit. So unterschiedlich die Gründe für eine Trennung sein können, erkennt Klaus Heer dennoch ein Muster: «Trennungsreife Paare sind geschafft und erbittert, genervt und entzweit, traurig und verzweifelt. Und sehr einsam zu zweit.»
Wenn sich das anfängliche (Hormon-) Hoch legt und der Alltag umgekrempelt werden muss, damit er mit Baby funktioniert, kommt oft der Frust. Eltern, die als Paar selten gestritten haben, müssen lernen, dass die friedliche Zweisamkeit vorbei ist und die Nerven auch mal blank liegen. «Das Paar muss so schnell wie möglich begreifen, dass es seine Liebe radikal umbauen muss: Aus dem emotionalen Höhenflug muss belastungsfähige Solidarität werden», ist sich Klaus Heer sicher. Die Liebe könne nur überleben, wenn aus dem Liebespaar ein Team werde. Die Romantik müsse zurücktreten.

Manch einer fragt sich jetzt: Welche Romantik? Wer mit Eltern spricht, wird oft hören, dass nur noch selten gekuschelt wird – wenn überhaupt. Die Mutter hat am Ende des Tages oft genug Körperkontakt gehabt, trägt sie doch ihr Kind den ganzen Tag herum. Wenn dieses dann bestenfalls mal schläft, will sie lieber einen Moment für sich, statt sich leidenschaftlich der mit Kinderkotze verschmierten Kleider zu entledigen. Dass für eine gesunde Beziehung ein gewisses Mass an Körperlichkeiten wichtig ist, kann beide Partner unter Druck setzen.

Klassisches Familienmodell als Liebeskiller

Dass nach der Geburt des Babys oft die Männer gleich wieder die Arbeit aufnehmen, währenddem sich die Mütter zuhause erstmal alleine um das Wohl des Babys kümmern, ist für eine Beziehung auch nicht förderlich. «Die allermeisten sind blauäugig in der Frage, wer nach der Geburt die bezahlte und wer die unbezahlte Arbeit macht. So rutschen sie wider Willen in das klassische Familienmodell ab. Und scheitern daran», ist sich der Experte sicher.

Dass Letzteres bei Kylie Jenner und Travis Scott zur angeblichen Trennung geführt hat, ist unwahrscheinlich. Mit zwei dick gefüllten Bankkonten können sich die beiden jegliche Hilfe leisten, die sie im Alltag brauchen.
© Dr. Klaus Heer: Psychologe – Paartherapeut – Autor