Dr. Klaus Heer

SonntagsZeitung vom 8. Januar 2012
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«Staubsaugen verleiht Flügel»

Klaus Heer, Buchautor und Paartherapeut, über unendliche Liebe und Hausarbeit

SILVIA AESCHBACH
Nach neusten Studien soll es sie geben, die lebenslange romantische Liebe, die wichtiger ist als Sex. Kennen Sie aus Ihrer Praxis Beispiele, die das beweisen?
Nein. Ich bin ja Paartherapeut und nicht Romanautor. Solche Beispiele wären auch keine Beweise. Den meisten Leuten gilt nämlich Sex als tragende Säule der Beziehung. Vor allem bei jenen Paaren, denen der Sex längst abhandengekommen ist.

Warum schaffen es die wenigsten Paare, die Romantik in der Beziehung zu erhalten?
Weil man dazu neigt, in unspektakulären zweisamen Augenblicken die Romantik zu übersehen oder zu vergessen. Zum Beispiel auf einem gemeinsamen, verregneten Spaziergang unter einem grossen Schirm. Oder beim angeschmiegten stillen Morgendösen im Bett. Jedes Paarleben ist voll von solch romantischen Gelegenheiten.

Welches sind die schlimmsten Beziehungskiller?
Wir sind versessen darauf, dass wir ja nicht zu kurz kommen. Und gleichzeitig geizen wir mit Beziehungsinvestitionen. So verendet die Zweisamkeit oft an emotionaler Anorexie.

Studien zufolge zerbrechen die meisten Beziehungen im vierten Ehejahr. Ist die Liebe nur eine kurze Begleiterscheinung des Fortpflanzungstriebs?
Ja. Wer Sex als Trieb versteht, muss froh sein, wenn seine Ehe vier Jahre hält. Sexualität ist in Wirklichkeit ein Teil der gesamten Beziehungskultur eines Paares. Diese Kultur kann nur überleben, wenn man sie liebevoll hätschelt. Und solange man beherzt dafür sorgt, dass man sich ungeschminkt begegnet.
Gemeinsame Tätigkeiten im Haushalt sollen Paare zusammenschweissen. Was ist so verbindend daran, zusammen am Herd oder an der Waschmaschine zu stehen?
Gemeinsam die ungeliebte Gratisarbeit an die Hand zu nehmen, ist Liebe pur. Hier ist Solidarität eines der vielen Synonyme für Liebe. Staubsaugen verleiht in der Tat Flügel. Vor allem Männern.
«Gegensätze machen die Beziehung anspruchsvoll, vielfältig, tief»
Ist eine langjährige, gut funktionierende Beziehung eigentlich «nur» Glückssache?
Ja, sicher. Nur wird das Glück erst mit der Zeit sichtbar. Im Voraus kann man nicht wissen, ob man Glück haben wird. Auch nicht, wie viel und was man selber dazu wird beitragen müssen.

Was ist in einer langjährigen Beziehung wichtiger: Gegensätze, die sich bekanntlich anziehen, oder Gleiches zu Gleichem?
Die Schnittmenge der Gemeinsamkeiten erleichtert das Zusammenleben; Gegensätze machen es anspruchsvoll, vielfältig, tief.

Wie bleibt die Liebe frisch? Sie als Paartherapeut müssten da doch einige Rezepte in der Hinterhand haben.
Indem man genau das nicht die Fachleute fragt, sondern sein Beziehungsgegenüber. Und präzis hinhört, was dann kommt. Immer wieder.
© Dr. Klaus Heer: Psychologe – Paartherapeut – Autor