20minuten digital vom 16. Januar 2014
Viel mehr als eine Affäre – offiziell aber Single
Zwischen Affäre und fester Partnerschaft: Aus Angst, sich festzulegen, leben viele Menschen in Halb-Beziehungen. Die sogenannten Mingles fürchten sich vor zu grosser Nähe.
VON DÉSIRÉ POMPER
VON DÉSIRÉ POMPER
Laura und Max daten sich, haben Sex, kuscheln, telefonieren. Am Wochenende gehen sie zusammen ins Kino oder in die Berge. Doch offiziell sind sie kein Paar, sondern Singles. Sie wohnen nicht zusammen, gemeinsame Kinder sind kein Thema, ebenso wenig wie Besuche bei der Schwiegermutter in spe oder Liebesbekenntnisse. Die beiden verbringen zwar viel Zeit zusammen, richtig zusammen sind sie aber nicht. Es ist mehr als eine Affäre, aber weniger als eine feste Partnerschaft.
Mingle nennt man diese neue Beziehungsform, die vor allem Menschen um die dreissig wählen. Das Wort setzt sich zusammen aus «single» und «mixed». Auch in der Schweiz leben zahlreiche Paare in solchen Halb-Beziehungen.
Frei sein bis die grosse Liebe kommt
«Viele wollen sich in der gelebten Beziehung alle Wahlmöglichkeiten offenhalten», stellt Paartherapeut Klaus Heer fest. Einerseits halte man an der «heiligen Freiheit» fest, wolle aber jederzeit bereit sein für die «grosse Liebe», die plötzlich auftauchen könnte. Vor allem die Online-Partnersuche nähre die Illusion, dass man im unbegrenzten Partnerschlaraffenland lebe. «Wir haben tendenziell immer Angst zu kurz zu kommen und wollen dafür sorgen, dass wir das bekommen, was uns zusteht», sagt Heer.
Psychologin Wiebke Nieberich beobachtet das Phänomen, dass viele Leute gar nicht mehr wissen, ob sie nun in einer Beziehung sind oder nicht. Bewusst geworden sei ihr das beim Durchführen einer Studie für die Humboldt-Universität, wie sie gegenüber der «Welt» ausführt. Als die Teilnehmer zu Beginn des Fragebogens neben Alter und Geschlecht den Beziehungsstand angeben mussten, blieb bei Letzterem bei vielen das Feld leer. Darauf angesprochen sagten diese, sie würden sich zwar mit jemandem treffen, aber was genau das sei, das könnten sie nicht sagen.
Grosses Ego steht im Weg
Der Zürcher Paartherapeut Hans Peter Dür glaubt, dass solche Beziehungen das Resultat der wachsender Individualisierung in unserer Gesellschaft sind. «Im Zentrum stehen die Interessen des Einzelnen, der sich frage: Was will ich? Was tut mir gut?», sagt Dür. Früher habe man eher im Kollektiv gehandelt und sich zugunsten der Beziehung auch mal zurückgenommen. «Viele halten sich selber für so wichtig, dass sie ihr Ego für die Beziehung nicht zurückstellen können.»
Lisa Fischbach von Elite Partner spricht gegenüber der «Welt» sogar von einer Verkapitalisierung des Partnermarktes: «Der Partnermarkt funktioniert zunehmend nach dem kapitalistischen Gedanken der Gesellschaft.» Man habe Angst, andere, vielleicht bessere Möglichkeiten auszuschliessen, wenn man sich eindeutig zu einem Menschen bekenne.
Frauen sind Verliererinnen
Doch das Leben als Mingle hat laut den Experten seinen Preis: «Dieser Liebes-Perfektionismus verunmöglicht ein volles Engagement für eine Beziehung», sagt Paartherapeut Heer. Für den unfreiwilligen Mingle könne das Leben als Lückenbüsser auch durchaus schmerzhaft sein. Den höheren Preis für diese Unverbindlichkeit zahlen laut Dür die Frauen: «Ihre biologische Uhr tickt. Ausserdem findet ein älterer Mann auch einfacher eine Partnerin als eine ältere Frau einen Partner.»
Mingle nennt man diese neue Beziehungsform, die vor allem Menschen um die dreissig wählen. Das Wort setzt sich zusammen aus «single» und «mixed». Auch in der Schweiz leben zahlreiche Paare in solchen Halb-Beziehungen.
Frei sein bis die grosse Liebe kommt
«Viele wollen sich in der gelebten Beziehung alle Wahlmöglichkeiten offenhalten», stellt Paartherapeut Klaus Heer fest. Einerseits halte man an der «heiligen Freiheit» fest, wolle aber jederzeit bereit sein für die «grosse Liebe», die plötzlich auftauchen könnte. Vor allem die Online-Partnersuche nähre die Illusion, dass man im unbegrenzten Partnerschlaraffenland lebe. «Wir haben tendenziell immer Angst zu kurz zu kommen und wollen dafür sorgen, dass wir das bekommen, was uns zusteht», sagt Heer.
Psychologin Wiebke Nieberich beobachtet das Phänomen, dass viele Leute gar nicht mehr wissen, ob sie nun in einer Beziehung sind oder nicht. Bewusst geworden sei ihr das beim Durchführen einer Studie für die Humboldt-Universität, wie sie gegenüber der «Welt» ausführt. Als die Teilnehmer zu Beginn des Fragebogens neben Alter und Geschlecht den Beziehungsstand angeben mussten, blieb bei Letzterem bei vielen das Feld leer. Darauf angesprochen sagten diese, sie würden sich zwar mit jemandem treffen, aber was genau das sei, das könnten sie nicht sagen.
Grosses Ego steht im Weg
Der Zürcher Paartherapeut Hans Peter Dür glaubt, dass solche Beziehungen das Resultat der wachsender Individualisierung in unserer Gesellschaft sind. «Im Zentrum stehen die Interessen des Einzelnen, der sich frage: Was will ich? Was tut mir gut?», sagt Dür. Früher habe man eher im Kollektiv gehandelt und sich zugunsten der Beziehung auch mal zurückgenommen. «Viele halten sich selber für so wichtig, dass sie ihr Ego für die Beziehung nicht zurückstellen können.»
Lisa Fischbach von Elite Partner spricht gegenüber der «Welt» sogar von einer Verkapitalisierung des Partnermarktes: «Der Partnermarkt funktioniert zunehmend nach dem kapitalistischen Gedanken der Gesellschaft.» Man habe Angst, andere, vielleicht bessere Möglichkeiten auszuschliessen, wenn man sich eindeutig zu einem Menschen bekenne.
Frauen sind Verliererinnen
Doch das Leben als Mingle hat laut den Experten seinen Preis: «Dieser Liebes-Perfektionismus verunmöglicht ein volles Engagement für eine Beziehung», sagt Paartherapeut Heer. Für den unfreiwilligen Mingle könne das Leben als Lückenbüsser auch durchaus schmerzhaft sein. Den höheren Preis für diese Unverbindlichkeit zahlen laut Dür die Frauen: «Ihre biologische Uhr tickt. Ausserdem findet ein älterer Mann auch einfacher eine Partnerin als eine ältere Frau einen Partner.»
© Dr. Klaus Heer: Psychologe – Paartherapeut – Autor