Dr. Klaus Heer

ElitePartner.de vom 25. November 2009
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VON ANNETTE RIESTENPATT

Der Schweizer Paar-Therapeut Klaus Heer hat ein neues Buch geschrieben. In «Klaus Heer, was ist guter Sex?», beantwortet er der Journalistin Barabara Lukesch viele spannende Fragen rund um das Thema Liebe. Auch uns gibt er im Interview interessante Antworten.

Herr Heer, was macht eine Beziehung dauerhaft glücklich?
Dauerhaft glücklich, das klingt nach Märchen und Illusion. Beziehung ist in Wirklichkeit ein anderes Wort für Himmel und Hölle oder Auf und Ab. Dauerhaft glücklich ist wohl keine Beziehung. Unser ganzes Leben ist voller Zyklen. Einatmen – Ausatmen, Schlafen – Wachen, Lachen – Weinen, Entstehen – Vergehen. Jede Beziehung ist ein Organismus mit genau solchen Lebensäusserungen.

Warum sind so viele Menschen in ihren Beziehungen so unglücklich?
Das hat im Wesentlichen zwei Gründe: Die meisten Leute gehen davon aus, dass Beziehung ein Jungbrunnen zu sein hat, der unentwegt Glück, Wellness und Geborgenheit generiert. Sie haben also unrealistische Erwartungen. Sie wissen nämlich nicht, dass Beziehung definitiv nicht mehr hergibt, als man hineingibt. Beziehungsglück ist investitionsabhängig.

Zweitens ist es nicht ganz einfach herauszufinden, was man konkret investieren könnte und müsste. Wer ein paar Jahre mit jemandem zusammenlebt, müsste es allerdings eigentlich wissen. Denn er bekommt es immer wieder vom Partner zu hören. «Die Kinder sind dir wichtiger als ich!» oder «So geht das nicht für mich, Schnellsex gegen Mitternacht!» Doch man hört die Info nicht; man hört den Vorwurf und ist verschnupft. Viele Paare verpassen eine Gelegenheit nach der anderen, gemeinsam die notwendigen Veränderungen in der Beziehung an die Hand zu nehmen. Entweder gehen diese Chancen im endlosen Grabenkrieg unter. Oder sie werden niedergeschwiegen. Dieses Schweigen zeigt sich meistens in Form einer freudlosen Alltagsroutine.

Wie lässt sich so eine Beziehungsroutine wieder auffrischen?
Mut haben! Konkret vielleicht ungefähr so: «Schatz, hast du einen Moment Zeit für mich? Mir ist schon länger aufgefallen, dass es dir nicht so gut geht. Du scheinst mir etwas bedrückt, manchmal ungeduldig, gereizt. Ich stelle mir vor, du bist unzufrieden mit unserer Beziehung. Mit mir. Erzähl mal bitte: Was macht dir Mühe mit mir? Oder was fehlt dir in unserem Zusammenleben? Ich möchte es wirklich wissen und dir einfach zuhören.»

Und das soll die unglückliche Routine zum Besseren wenden?
Dass Sie so skeptisch fragen, weist darauf hin, dass Sie keine Erfahrung damit haben, Negativspiralen ins Positive zu drehen. Die Liebe will nicht Schonung, Wegschauen, Harmonisieren, Schönreden und Schönschweigen. Sie will wissen, wie es dem Anderen geht. Sie ist interessiert, offen für die Realität des Partners. Sie verteidigt sich nicht. Macht Ohren und Herz auf. Auch für Unangenehmes. Liebe ist nichts für schwache Nerven.

Reicht das? Braucht es nicht auch verbindende Gemeinsamkeiten?
Ja, viele Paare haben kaum Zeit füreinander. Ich denke nicht in erster Linie an gemeinsame Hobbys, Freunde, Fernsehen, Konzerte, Kino und andere Betriebsamkeiten. Was nach ein paar Jahren fester Beziehung praktisch ganz wegfällt, ist die Zweisamkeitszeit. Die Du- und Ich-Zeit. Wir zwei am Tisch, beim Spazieren, im Bett. Wir zwei beim Nichtstun. Beim Zusammen-Sein. Beim Sein ohne bestimmte Absichten, ohne Ziele, ohne Hintergedanken. Damals, als wir verliebt waren, ging das noch. Und wie! Jetzt haben sich die unausgesprochenen Unstimmigkeiten so angehäuft und aufgestaut, dass diese entspannte Stille zu zweit nicht mehr drinliegt.

Wie wichtig sind Erotik und Sex für eine Beziehung?
Jedes Paar muss ganz eigenständig den Stellenwert definieren, den das körperliche Liebesleben in seiner Liebesgeschichte haben soll. Ein Glück, dass es so ist: So hat jedes Paar ein ganzes Liebesleben lang ein spannendes, intimes Thema!

Wie erkenne ich, ob ein Partner wirklich zu mir passt?
Das wird in dem Moment klar, wo die zwei ja zueinander sagen. Ich meine nicht das Ja am Traualtar. Sondern die unzähligen Anlässe, die einen immer wieder einladen, ja zu sagen zum Anderen. Nämlich wenn neuerlich unübersehbar ist, wie extrem unterschiedlich wir doch sind. Wenn die Liebe wankt oder bereits gefallen ist, sagt man in diesen Momenten: «Wir passen wirklich nicht zusammen…» Aber die Liebe, die lebt, sagt jetzt: «Herrgott, bist du mir fremd! Beschreib mir bitte, wer und wie du bist.»

Welchen Tipp geben Sie Paaren, die am Anfang ihrer Beziehung stehen?
Ich sehe nie Paare, die ihre Beziehung starten. Ich hab's ja nur mit beziehungserfahrenen Paaren zu tun. Zum Glück! Ich hätte keine Ahnung, was ich unerfahrenen Leuten sagen sollte. Ich glaube nicht an Prävention. Junge Paare brauchen meist keine Ratschläge. Sie sind glücklich. Die Herausforderungen kommen früh genug…

Lieber Herr Heer, wir danken Ihnen für's Interview!
© Dr. Klaus Heer: Psychologe – Paartherapeut – Autor