Dr. Klaus Heer

Annabelle vom 20. April 2010
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«Cougars in der Schweiz»

Seit Demi Moore, Madonna und Kim Cattrall ihre jungen Liebhaber zur Schau tragen, sind Cougars in aller Munde. Auch in der Schweiz findet man Frauen, die ihr Leben mit einem deutlich jüngeren Mann teilen. Lesen Sie drei Geschichten über Schweizerinnen und ihre unkonventionelle Liaison.

VON FRANZISKA K. MÜLLER
Ganz so wilde Jünglingsjägerinnen wie die Cougars im US-Showbiz sind sie nicht, die Schweizerinnen, die ihr Herz an einen Jüngeren verloren haben. Und sie hängen ihr Liebesglück für gewöhnlich nicht an die grosse Glocke. Drei Paare reden dennoch über ihre unkonventionelle Liaison.

Seit Demi Moore, Madonna und Ivana Trump ihre bedeutend jüngeren Liebhaber so stolz zu Schau tragen wie limitierte Gucci-Taschen, buhlen Hunderte von Jünglingen in Internetkontaktbörsen um die Gunst von Cougars. Und die 40- bis 60-jährigen Frauen, die auch Pumas oder Berglöwinnen genannt werden, diskutieren in US-amerikanischen Internetforen so wichtige Fragen wie: Soll ich meinem 18-jährigen Boyfriend zum Geburtstag eine Harley-Davidson schenken oder doch lieber ein paar neue Schulbücher?

Die US-Pumafrau ist – gemäss ihren Vorbildern aus dem Showbusiness – selbstbewusst, schön und sexy. Sie verfügt meist über einen höheren Status als ihr jugendlicher Toyboy. Sexy sein nach der Menopause polarisiert: Die einen amüsiert es, dass sich Frauen endlich gönnen, was reiche angegraute Männer seit je tun, wenn sie sich potent fühlen wollen – mittels einer jungen Geliebten an der Schönheit und Unbeschwertheit der Jugend teilhaben. Die anderen – darunter die namhafte Feministin und «New York Times»-Kolumnistin Judith Warner – beklagen, dass die sexuell aggressiven Puma-Weibchen viel weniger mit der Realität zu tun haben als mit einer weiteren durchtriebenen männlichen Fantasievorstellung. Denn: Ein alter Sack braucht kein Adonis zu sein, um bei einer 20-Jährigen zu landen, die reifere Dame aber im Minimum eine ältere Schwester von Aphrodite, ein Klasseweib mit Grazie und Grandesse. Ähnlich sieht das die britische «Observer»-Journalistin Kathryn Flett: «Mit ihrem supersexy Aussehen wollen die Pumas sich selbst beweisen, dass sie noch mithalten können. Gleichzeitig erfüllen sie das männliche Diktat, das Frauen verwehrt, in Würde zu altern.»

Auch in der deutschsprachigen Unterhaltungsindustrie wird mittlerweile offenherziger mit dem Thema «junger Mann/reife Frau» umgegangen. Birgit Schrowange, Elke Heidenreich, Iris Berben sind mit viel jüngeren Männern liiert und präsentieren diese gern an Cocktailpartys und Filmpreisverleihungen.

Nackte Zahlen bestätigen diesen Trend. Der Anteil Schweizer Frauen, die einen jüngeren Partner an ihrer Seite möchten, steigt laut einer repräsentativen Umfrage, die das Internetportal Parship.ch im vergangenen Jahr durchgeführt hat. 16 Prozent der befragten Frauen gaben an, dass sie sich eine Beziehung mit einem jüngeren Mann wünschen. Vor fünf Jahren konnten sich erst 5 Prozent der befragten Frauen einen jüngeren Lover vorstellen. Was hier zu Lande noch Wunschdenken ist, ist in Deutschland Realität: Bereits in 17 Prozent aller Ehen ist der Mann deutlich jünger als die Ehefrau. Das heisst, es gibt Hunderttausende von deutschen Puma-Paaren.

Die Zahlen sprechen eine klare Sprache. Ihre Liebesgeschichten öffentlich machen wollen aber die wenigsten: Schweizer Paare, die sich mit Namen und Bild porträtieren lassen würden, sind nur schwierig zu finden. Gründe, die bei den Absagen für diesen Report geäussert wurden: «Meine Schwiegermutter kennt mein richtiges Alter nicht.» «Ich will nicht als neurotisches Muttersöhnchen dastehen.» «Ich kann das meiner Mutter nicht antun: Der Abstand von ihr zu meiner Partnerin ist kleiner als der zwischen uns.»

Der Schweizer Paartherapeut Klaus Heer zeigt Verständnis für die Schwierigkeit, über das neue Beziehungsmodell zu sprechen: «Die Konstellation ist immer noch mit Vorurteilen belastet. Daran ändern auch die paar Glamourfrauen nichts, die das neue Beziehungskonzept leben und denen egal sein kann, was andere Leute über sie denken.»

So unverkrampft die Prominenten mit der neuen Beziehungsform umgehen, so diskret wird sie im Alltag gelebt. Die deutsche Soziologin Ursula Richter mahnt denn auch, die sexy Jägerinnen aus Hollywood nicht als absoluten Massstab zu betrachten. Der Alltag mit einem jüngeren Partner verlaufe häufig so normal wie in einer Liebesbeziehung mit kleinem Altersunterschied. Aussehen und Statusdenken, so deutet Ursula Richters Befragung von siebzig Paaren an, spielen eine untergeordnete Rolle. Die Mehrheit der Frauen standen zu ihren Falten und ihrer nicht mehr ganz so straffen Haut. Ihre jungen Männer stören sich nicht an den Spuren des Alters. Sie finden ihre Frauen schön und konzentrieren sich auf die Vorteile der ungewöhnlichen Konstellation. «In der Regel profitieren junge Männer vom sexuellen Erfahrensvorsprung einer älteren Partnerin. Sie schätzen womöglich die fürsorgliche Art und geniessen eine grössere Bewegungsfreiheit als mit einer jungen Frau», sagt Klaus Heer.

Cougars krallen sich nicht aus einem Drang nach Selbstbestätigung einen wesentlich jüngeren Mann, ist der Paartherapeut überzeugt. «Frauen ab vierzig sprühen oft vor Vitalität. Geistig und sexuell sind sie voll auf der Höhe. Gleichaltrige und ältere Männer bleiben in der Midlifecrisis stecken und werden als Partner uninteressant.» Ein gängiges Klischee besagt, dass sich der jüngere Lover über kurz oder lang eine Jüngere suchen wird und die Eifersucht beim Puma-Weibchen deshalb ein Dauerthema sei. Klaus Heer glaubt, dass Beziehungen zwischen älteren Frauen und jüngeren Männern aus anderen Gründen von flüchtiger Natur sein können. «Es ist schwer vorstellbar, dass ein junger Mann seine Partnerin im Rollstuhl durch die Gegend fährt oder sie in den Tod pflegt.»

Ursula Richter hat in ihren Befragungen einen weiteren beziehungsbelastenden Aspekt eruiert. Während Verwandte und Freunde den reiferen Frauen ein spätes Glück oft gönnen, müssen sich die jüngeren Partner ständig für den Altersunterschied in ihrer Beziehung rechtfertigen. Spöttische Fragen rund um die Finanzen und die Zukunft im Alter gehören zur Tagesordnung. Oder dann wird ihnen ein Mutterkomplex unterstellt, zumeist von gleichaltrigen Geschlechtsgenossen, die partout nicht verstehen können, dass es Männer gibt, die freiwillig auf junge, knackige Frauen verzichten. Das nerve. Es brauche deshalb viel mehr Mut, Selbstbewusstsein und Standfestigkeit, so das Fazit der Experten, um als junger Mann mit «einer alten Schachtel» zusammen zu sein. Wer aber den Mut zu einer solchen Konstellation aufbringt, erlebt mit hoher Wahrscheinlichkeit ein grosses Liebesglück. Ursula Richter: «Puma-Paare, die die ersten fünf Jahre überstehen, haben bessere Chancen als gleichaltrige Partner, dass die Liebe für die Ewigkeit hält.»
© Dr. Klaus Heer: Psychologe – Paartherapeut – Autor